Unser Weg nach Lukla oder am Ende wird es gut

Klaus und ich wachen vor dem Weckruf (3.45h) auf. Die Nacht vor dem Abflug war unruhiger als erwartet. Wir packen unser Zeugs, schlüpfen in die Merinosachen und sind um 4.30h in der Hotelrezeption. Die Taschen und Rücksäcke legen wir auf die Waage, Übergepäck ohne Ende. Einiges bleibt im Hotel, anderes geht ins Handgepäck und wir hoffen am Flughafen auf ein mildes Urteil. Noch eine schnelle Tasse Tee, denn um 4.45h kommen Mane und Pemba, um uns zu verabschieden bzw. mit uns zum Flughafen zu fahren. Um 5.15h sind wir eingescheckt und die paar Kilo mehr hat man kommentarlos durchgeschoben… bis auf den Rucksack von Klaus, der nicht in die Kabine darf, sondern mit den Taschen mitmuss. Sabei tik chhaa, alles klar.

Um 6.15h fliegt aber niemand nach Lukla, weil sich der Nebel vom Vortag noch nicht verzogen hat. Doch um 8.30h sitzen wir im Bus, die Sonne scheint und die zweimotorige Maschine der Summit Air glänzt auf dem Rollfeld. Wir sind Flug 501, die Nummer 2 heute. Flug 301 darf zuerst, der Bus steht ein paar Meter weiter, vor der zweiten Summit Air Maschine. Unser Pilot steht lässig mit Sonnenbrille vor unserem Flieger mit der Kennung 9AN-AMG und der Batterieschlauch hängt am Flieger.

Ein wichtiger Mann mit Schutzweste verkreuzt plötzlich die Arme vor dem Kopf und ruft in den Bus: „Lukla Airport closed! Back to Terminal“. Beide Busse müssen zurück. Fast.

Charlotte, eine Holländerin bei uns im Bus, erzählt von der deutschen Miriam, die seit zwei Tagen im Terminal hockt, weil Lukla dicht ist. Wir treffen Miriam im Terminal. Sie bewahrt Fassung, ist aber merklich angefressen und denkt darüber nach, ihren Trek nicht zu machen. Doch die Stimme aus dem Lautsprecher vermeldet, dass um 11 Uhr für alle Flüge nach Lukla ein zweiter Anlauf unternommen wird. Gut so. Um 10.40h melden sich zuerst Mane und dann Ines, um die Möglichkeit eines Helikopterfluges für 180 Euro pro Person auszuloten. Lukla ist Lukla und wir kämen sonst eventuell nicht weg. Ich will den Zirkus mit einer weiteren Nacht in Kathmandu nicht machen, sondern nach Lukla. Klaus nickt und so gehen zwei bzw. drei optionale Sitzplätze im Hubschrauber an uns.

Um 11.00h stehen wir erneut vor der Maschine. Die Stimmung im Bus ist blendend. Wir sehen wie Flug 301 neben uns boardet und die Maschine gen Lukla abhebt. Na also, geht doch. Pembas Handy klingelt und er bekommt die Nachricht, dass ein Flieger aus Phablu in Lukla gelandet ist. Janiv aus den USA schaltet sich in die Diskussion ein, sein Guide in Lukla meldet schönes Wetter. Der Bus jubelt „Good Karma“ und „Positive Energy“. Wir frotzeln mit Pemba „Flighttime 6.15h plus five hours“, aber er kontert locker „6.15h Nepali time“. Gelächter im Bus.

Da taucht der wichtige Mann mit der Schutzweste auf und verkreuzt die Arme: „Lukla Airport closed. Flight 301 will return. Back to Terminal“.

Pemba telefoniert wie wild, auch weil wir ihn gebeten haben, den Heliflug für Charlotte zu checken. Das klappt und so stehen wir um 14 Uhr mit unserem Gepäck vor dem Helibüro und treffen Janiv und Gidi, den anderen Israeli, aus dem Bus. Sie haben die Plätze 5 und 6 und wollen auch heute noch nach Lukla. Der Abflug ist für circa 16.00h vorgesehen und Pemba empfiehlt Lunch im Flughafenrestaurant im ersten Stock, das wir durch einen unscheinbaren Treppenaufgang erreichen. Aber, wie könnte es an einem solchen Tag sein: „No lunch after 2pm“. Wir bleiben dennoch sitzen und Klaus schmeißt eine Runde Müsliriegel und Mannerschnitten aus seiner Vesperdose. Janiv packt eine Khumbukarte aus und wir erklären uns gegenseitig unsere Touren. Everest Base Camp gewinnt deutlich. Charlotte will danach noch eine Gruppe erwischen, die auf den Island Peak will, Respekt. 

Ab 15.15h beginnt die Wiegerei, weil die maximale Zuladung an Personen des Helis 450kg beträgt. Gidi, Klaus und ich schießen den Pfeil der Waage locker auf über 100kg, allerdings mit Rucksack und in voller Montur. Die Nepali schwanken zwischen belustigt und erschüttert. Pemba schafft es mit Rucksack gerade mal auf knapp 70kg und meint: „Not good when high weight“. Recht hat er. Bleiben um die 50kg für Charlotte, die sie aber mit Rucksack locker reißt. Der Büromanager ordnet an, die Gruppe auf zwei Helis zu verteilen und Klaus macht sich mit Teilen des Gepäcks auf den Weg – „See you in Lukla“. Der Rest der Gruppe verlässt 20 Minuten später das Terminal und trifft Klaus im Bus! „Der Pilot wollte auf einmal nicht mehr fliegen?!“.

Wir fahren zum Heliport, der hinter der Landebahn liegt. Es ist kurz vor 16.00h. In 90 Minuten ist dunkel, dann fliegt nichts mehr. Nur mit unserem Handgepäck laufen wir zum Heli von Eric „Riddler“ Ridlington und werden ermahnt uns dem Heli nur von vorne zu nähern, da beide Rotoren schon laufen. Charlotte und Pempa dürfen vorne sitzen, wir vier Männer hinten „for balance reasons“. Schönen Dank auch. Angeschnallt warten wir bis der Heli abhebt, was er nicht tut, weil dem Riddler ein Hydrauliklämpchen nicht gefällt. Wir müssen raus und setzen uns vor den Bürocontainer. Die Stimmung ist gut, obwohl wir alle seit über 12 Stunden auf sind. Die Verkleidung des Helis ist aufgeklappt und drei Mechaniker turnen um ihn herum. Der Riddler kommt und sagt, es wäre repariert, aber wir sollten mit Dave fliegen, der in fünf Minuten landet. „Super Dave will take you to Lukla“. Charlotte will wissen, ob Eric bei der National Geographic Serie „Everest Mountain Rescue“ dabei war, was er verneint. Da landet Capt. Dave Peel und wir rennen zum Hubschrauber. „Hop in, guys, quick“, es ist 16.25h. „Keep seat belt fastened at all times“, ruft er, dann hebt das Ding tatsächlich ab. Wir sehen einen Teil von Kathmandu aus der Luft, die größte Shiva-Statue der Welt und einen goldenen Buddha mitten im Wald. Als wir uns dem Himalaya nähern, dunkelt es und es ist wolkig. Nach 40 Minuten kommt Lukla in Sicht, dann sehen wir die Landebahn und um 17.05h setzt Super Dave den Helikopter sicher auf. Auch er bleibt über Nacht, weil er nicht mehr zurückkommt. „Last helicopter, last minute“.

Das Problem an Lukla ist – kommt keiner hin, kommt auch keiner weg. Das bedeutet, dass seit drei Tagen alle in den Hotels und Lodgen hocken und auf Wetterbesserung warten. Dennoch hat Pemba ein Zimmer im Hotel Numbur für uns organisiert, weil wir ja für eine Übernachtung in Phakding eingeplant waren. Ich frage ihn, wie er das gemacht hat: „You need connections and power“. Ich möchte nicht wissen, was Power in Nepal bedeutet. Im Hotel gibt es Tee und Dal Bhat und die Stimmung im Speisesaal ist gut, was aber mehr an der japanischen und holländischen Gruppe liegt, die ihren Trek erfolgreich beendet haben.

Nur mit unseren Klamotten am Leib legen wir uns auf Matratzen mit Rosenmuster und decken uns zu. „Luggage comes tomorrow, no problem“, meinte Pemba. Die Schlafsäcke sind in Kathmandu, wo es 25 Grad hat, hier im Zimmer hat es max. 5. Klaus findet es gut und mir ist es in diesem Moment fast egal. Morgen geht es nach Phakding.

Pemba Sherpa

Am Dienstag vor dem geplanten Abflug nach Lukla treffen wir Pemba zum ersten Mal im Hotel Moonlight. Mane, der mit Ines und Bijay die Agentur leitet, bringt ihn mit. Keine Ahnung, ob mein Gesichtsausdruck (völlig unabsichtlich) Verwunderung ausdrückt, aber Mane stellt Pemba mit den Worten vor: „This is Pemba. He‘s young but good“. Klaus kontert galant: „We are old but good“.

Mane erklärt uns die Tour, es gäbe vier Herausforderungen: den Anstieg nach Namche Bazar, den Anstieg nach Thame, den Anstieg nach Tengboche und die Nacht in Dingboche auf 4.400m. Wenn immer es ein Problem gäbe, sei Pemba unser Mann. 

Während wir am Mittwoch in voller Montur zur Fahrt an den Flughafen angetreten sind, kommt Pemba pünktlich um 4.45h in einer kurzen, grauen Bermuda und grauen Sneakers, die auch zuhause stehen könnten. Er trägt ein T-Shirt der Trekkingagentur und eine Fleecejacke, die uns selbst als Midlayer zu dünn wäre. Er ist unser Guide, er wird es schon wissen.

Nachdem wir in Kathmandu stundenlang im Terminal herumhocken, frage ich Pemba wie er zum Trekking kam. Mane hat ihn mit 16 Jahren gefragt, sie sind wohl irgendwie miteinander verwandt. Ein Jahr war er dann Träger, dann kam er bei verschiedenen Expeditionen ins Küchenteam, heute ist er meist Guide. 

Pemba (bedeutet Samstag) ist 25, verheiratet, und hat einen Sohn Sonam (bedeutet Montag). Er wohnt in Kathmandu und da seine Frau Amrita im Moment nicht arbeitet, ist er allein für den Lebensunterhalt verantwortlich. „If I don‘t work, there are economical problems“. Was er denn mache, wenn er nicht mit uns im Khumbu wandert?“, frage ich.

Es sprudelt aus ihm heraus, was er schon alles gemacht hat. Daulaghiri Base Camp und 2015 hat er am Everest das Base Camp mit aufgebaut und war vor Ort, als das Erdbeben die Lawine vom Pumori losgetreten hat. Während der Monsunzeit ist er in Tibet am Mt. Kailash und irgendwann zwischen Tibet und Nepal kocht er in Indien in Bihar Boudhgaya, dem Ort, wo Buddha unter einem Baum Erleuchtung fand. Ich frage ihn nach seinem höchsten Berg, den er schon bestiegen hat. „Mera Peak, but no mountain, only peak“. Der Mera Peak ist 6.500m hoch!

Für die nächsten 12 Tage organisiert Pemba als Guide unseren Weg, unsere Unterkunft, unser Essen, das Wifi, das heiße Wasser usw. und beantwortet sämtliche Fragen über unseren Trek. Ich frage ihn, wie lange im Jahr er von seiner Familie getrennt ist und er antwortet: „Ten months“.

Die gleiche Welt?!

Knapp eine Woche sind die Männer jetzt in Nepal. Uns trennen 6.688,70 km Luftlinie, knappe 12 Flugstunden und 3 Stunden und 45 Minuten Zeitverschiebung. Sooft ich mir auch Smartphones und Internet schon auf den Mond gewünscht habe, (wenn ich den Kindern unter deren massiven Protest beides entzogen habe), so sehr bin ich jetzt dankbar dafür Nepal in Echtzeit miterleben zu können. Ein kleiner Zwischenbericht.

Tag 1:

Nach der Landung in Kathmandu und der ersten Nacht im Hotel vor Ort ist ein bisschen Zeit, die neue Umgebung zu erkunden, auf verschiedene Art und Weise.

Tag 2:

Nach der kurzen Akklimatisierung geht es mit dem Auto halsbrecherisch zur Navodaya Chepang-Schule. Ein sehr herzlicher Empfang macht die Strapazen der Anreise wieder wett. Auch hier sind die Fortbewegungsmittel anders als wir sie kennen 🙂

Tag 3 bis 5:

Die Kinder, die Lebensbedingungen und die Natur hinterlassen tiefgehende Eindrücke…

Dann geht es zurück nach Kathmandu.

Tag 6:

Der Tag beginnt mit Kaffee und der Reiseplanung mit dem Sherpa für die Khumbu-Tour. Die Nacht war….laut :-), die holzfällerische Schwerstarbeit merkt man unseren geliebten Männern bei bester Chat-Laune am Morgen nicht an. Schon um 6 Uhr warten 40 ungelesene Nachrichten auf meinem Display. Um 12 Uhr sind es nochmal so viele. Reden sie sonst auch soviel? Egal, ich freue mich über jedes Bildchen aus der anderen Welt, denn es ist anders, aufregend, geheimnisvoll…und es geht ihnen gut, sie erkunden Kathmandu und haben einen tollen Tag. Morgen klingelt um 3:45 Uhr der Wecker. Zeit für den zweiten Teil der Reise…

 

 

 

 

Auf dem Weg zur Chepang-Schule

Wir werden um 8 Uhr von Ines im Hotel begrüßt, kurz danach kommt Robin, unser Fahrer. Das Auto ist ein Skoda Rapid und sieht sehr ordentlich aus. Zehn Minuten später verlassen wir Thamel und machen uns auf den Weg zur berüchtigten Ring Road, die wir kurz kreuzen und dann Richtung Pokhara auf den Prithvi Highway verlassen wollen. Bald verändert sich das Stadtbild, der Grad der Verschmutzung und die Art des Wohnens. Die Hauptstadt Kathmandu hat also auch Rückseiten. Die letzte Straße vor der Ring Road ist nicht geteert, der blanke Boden hat knöcheltiefe Rillen und wir kommen nur im Schritttempo voran. Rechts und links wird gewohnt, gearbeitet, gekauft und gekocht und das meist auf dem Boden. Die Zustände sind für mich als Europäer kaum vorstellbar und ich frage Robin, ob das noch die Nachwirkungen des Erdbebens von 2015 sind. „No, always like this“.

Der Prithvi Highway begrüßt uns mit Bussen und LKW. Lokale Busse, Touristenbusse und Überlandbusse nach Pokhara, Bhairahawa oder Lumbini. Es staubt und stinkt nach Diesel. Ich witzele mit Klaus über die Euro 6 Diskussion in Deutschland. What the f**k!? Die LKW sind meist von Tata, immer bunt bemalt und recht protzig. Auf den Stoßstangen steht Road King, Hiway Star oder Speed Limit. Selten sieht man First Love oder Broken Heart…für Romantik ist halt wenig Platz. Nach knapp 90 Minuten haben wir das Ende des Kathmandutals erreicht und beginnen mit dem Abstieg durch das nepalesische Mahabharatgebirge in Richtung Terai.

Es gibt auch in Europa Serpentinenstraßen und die Kehren hier sind nicht mal übermäßig eng, so dass es recht zügig weitergeht. Robin überholt und wird überholt, meist von Jeeps oder Zweirädern, die die Lücken gekonnt nutzen. Manchmal überholt auch ein Bus, der dann vor der Kehre noch schnell einfädelt. Robin bleibt ruhig, lächelt. Auch, als uns nach der Kehre zwei LKW entgegenkommen – nebeneinander. Robin fährt ruhig weiter, der LKW schert kurz vor uns auf seine Spur. Aufgeblendet wird nur, wenn der Abstand unter zwei Meter liegt. Motorräder huschen vorbei, mit und ohne Helm, zu zweit oder zu dritt, manchmal auch mit Kind dazwischen…living on the fast lane. Komischerweise spüre ich bei all diesem Chaos keine Aggression bei den Verkehrsteilnehmern, wie ich sie aus Deutschland kenne. Eher habe ich das Gefühl, man kümmert sich um einander und gönnt dem Gegenverkehr das gewagte Manöver. Und wenn es besser war als das eigene, wird auch mal gebremst.

Die grünen Berge ragen steil nach oben und wir passieren den Ort Dhading, der mir von meinen Chepangrecherchen bekannt vorkommt. Einige Kinder der Chepangschule kommen zu den Ferien mit dem Bus hierher und laufen dann den Rest nach Hause…bis zu sechs Stunden den direkten Weg nach oben. Die Fahrt nach Dhading war schon ein Abenteuer, aber dann noch diese Hänge erklimmen…nein, danke.

Ich frage Robin nach Schäden nach dem Erdbeben. „Only little damage here“. Das klingt gut bis auf dem Abschnitt nach Phisling auf einmal Schlaglöcher auftauchen, die die Abfahrt zum Slalom werden lassen. Robin macht das gut bis auf das letzte Loch, das er übersieht. Es ruckelt, wir verlieren kurz an Höhe, dann der Schlag durch den Reifen, die Felge, den Stoßdämpfer und die Karosserie. Autsch. In Deutschland würden wir sofort halten, den Reifen auf Sichtschäden überprüfen, die Felge bejammern und einen Termin in der Werkstatt machen. Ich schaue zu Robin und er lächelt: „Hole“.

In Kurintar zieht ein Hauch von Hollywood vorbei. Weiße Werbetafeln von Ncell und CitizensBank stehen unterhalb einer österreichischen Seilbahn im grünen Hang. Die Seilbahn führt zum Hindutempel Manakamana, der früher nur durch eine 3-4 stündige Wanderung erreicht werden konnte. Jetzt geht es in 15 Minuten steil bergauf. Oben wartet die Göttin Baghwati und erfüllt jungen Paaren ihre Wünsche. Meist ist es nur einer – ein Junge.

Rechts und links der Straße wohnen Nepali in allem was aus Ziegel, Wellblech und Holz zu bauen ist. Bunte Kioske und Restaurants wechseln sich mit Motorradwerkstätten, Metzgern und sonstigen Läden und Dienstleistungen ab. Ab zu mal ein Hotel, das in Europa nicht unbedingt als solches erkennbar wäre. Ein buntes Sammelsurium an Werbeschildern am staubigen Straßenrand. Cola, Pepsi, Tuborg und Ruslan Wodka. Rot, blau, grün und blau. Vier Getränke scheint es in Nepal zu geben und Tuborg läuft Cola den Rang ab. Ich frage Robin, ob es auch Nepali Bier gibt? „Nepal Ice Beer“, antwortet er. „Is it good?“. „Little okay“ sagt er, aber er lächelt nicht.

Irgendwann folgen wir dem Fluss Trishuli, der aber erst imposant wird, als der Marsyangdi oder der Gandaki aus dem Annapurnagebiet dazukommen. Ein Raftingparadies für Kurztouren über ein und zwei Tage. Bunte Zelte stehen am Ufer für die, die nicht in den Raftingressorts wohnen.

Nach gut fünf Stunden sind die Berge verschwunden und nur der Fluss ist übrig. Wir sind in Bharatpur und von dort sind es noch knapp 30 Minuten bis zum eigentlichen Ziel der Reise – der Navodaya School für Chepangkinder.

Abflug!

Schnell die letzten Teile von der Wäscheleine gerissen und in den verbleibenden Hohlraum im Rucksack gestopft….betriebsames Treiben bestimmt unseren Morgen. Heute ist der Tag, auf den wir alle so lange hingefiebert haben. Dabei hat alles  angefangen wie immer:

  • 6:30 Uhr Frühstück mit 3 schlaftrunkenen Schulkindern, die sich wortkarg und mit nur halb geöffneten Augen eine Nussnougatcreme-Stulle in den Mund stopfen. Ein Viertel Liter Milch spült es nahezu unzerkaut hinunter. Hinweise wie „Der Papa fliegt ja heute nach Nepal…“ bleiben unkommentiert.
  • 7:00 Uhr „Tschau“ – ich lerne: Männer, auch kleine, brauchen unter sich auch beim Abschied nur wenig Worte.
  • 8:00 Uhr Die letzten Amtshandlungen…ich mische mich nicht ein. Bis zu dem Moment, in dem er sagt: „Ach Schatzi, ich bräuchte noch ….“ (als hätte ich’s nicht gewusst 😉 )
  • 9:00 Uhr Die Zeit wird knapp, die letzten kurzfristigen Entscheidungen über „was brauch‘ ich“ und „was brauch‘ ich nicht“ werden getroffen. Für alles mit „Brauch‘ ich“-Status wird eine Lücke im Rucksack gefunden – oder noch eine App heruntergeladen.
  • 9:55 Uhr Trombose-Strümpfe für den Flug – kann man(n) tragen…
  • 10:00 Uhr Abfahrt nach München, aaaaaaahhhh….ber vorher nochmal kurz zurück den Impf-Pass holen.
  • 12:00 Uhr Ankunft der aufgekratzten Reisetruppe am Münchner Flughafen. Die Gepäck-Waage registriert exakt 19,9kg. Da hätte das zweite Pärle (schwäbisch für „Paar“, Anm. d. R.) Socken doch noch rein gepasst…
  • 13:00 Uhr Boarding…zuvor noch Kiss & Drop – und ein letzter Blick zurück für die Daheimbleibenden. Gute Reise, ihr Lieben 🙂

Abflug 1

  • 14:40 Uhr Abflug! Beim Stöbern im bayerischen Deko-Shop auf dem Flughafengelände sind wir Daheimgebliebenen uns einig: endlich geht’s los und das Planen, Denken, Befürchten und Vorfreuen hat ein Ende. Jetzt kommt das Erleben.

Dann, um 5:05 Uhr heute morgen zwitschert mir ein frühes Vögelchen: guter Flug, gut gelandet und phantastische Aussicht auf einen aufregenden neuen Tag!

Nepal Ankunft

Nepal, wir kommen!

 

 

20kg…?

Ein kurzes Update zu den Bemühungen, die erlaubten 20kg in transportfähige Taschen zu bekommen. Nach gefühlt zwei Dutzend Empfehlungen, was auf die Packliste gehört, habe ich jetzt fast alles beeinander.

Der Spagat zwischen fast 30 Grad (Tag) in der Chepangschule und minus 5 Grad (Nacht) im Himalaya, verlangt der Wäscheauswahl alles ab. Zwar wird in Kathmandu zwischen den Destinationen unterschieden und die Reisetasche entsprechend umgeräumt, aber alles muss zuerst mal nach Nepal.

Also dann…auf geht‘s zum Tüten zippen und Beutel vakuumieren!

 

 

 

The Taste of India

Puh….nur noch 6 Tage bis Abflug!!! So langsam kommt dieses kribbelige Gefühl in den Magen. Ich bin aufgeregt…hat er alles eingepackt? Wird er seine Brille auf dem Mount Everest liegen lassen? Hält die Merino was sie verspricht? Noch immer nicht habe ich verstanden, warum man eine Unterhose „Black Monsoon“ nennen muss…

Ich bin gespannt, was auf sie zukommen wird. Ich gestehe, ich fieber‘ gerne mit, aber Appetit nach solcherlei Abenteuer und Aufregung hatte ich noch nie. Dafür wächst der Hunger nach Auszeit, neuen Aussichten und Aufstiegen bei Klaus und Michele. Alle Informationen aus Reiseführern wurden verschlungen…bleibt die Frage: Wie schmeckt Freiheit und Abenteuer in Nepal?

Um uns aus kulinarischer Sicht einzustimmen, beschließen wir eine Indische Nacht mit unseren Freunden zu feiern…mit Gewürzen aus fernen Ländern, dem Duft von Räucherstäbchen und the Taste of India.

Unser Menü:

Vorspeise – Hot and spicy: Ingwer-Zitronen-Suppe

Zwischengang – bitter sweet symphony: Fake Naan Brot mit Mango-Chutney und Ei

Hauptgang – chilled Chicken: Indian Butter Chicken aus dem Ofen

Dessert – quick and dirty: Shrikhand mit schnellem Schoko-Croisssant

 

(In der Suppe war statt Kerbel, wie im verlinkten Rezept angegeben, Koriander drin. Das Mango-Chutney KANN man selber machen, machte MANN aber nicht. 😉 Für den Hauptgang das Hühnchen über Nacht einlegen – wird sehr zart und geschmacksintensiv. Die indische Nachspeise schmeckt, wie alles im Leben, auch ohne Rosinen. Dann kann man sie sich allerdings nicht mehr rauspicken.)

Viel Spaß beim Nachkochen – and feel the spirit!

Indian Night

Grashügel, Gratwanderung und Grenzen

Gestern sind wir zur Tour auf die Güntlespitze aufgebrochen. Allein. Tina und ich. Von Baad im Kleinwalsertal über 800 Höhenmeter in drei Stunden nach oben und dann wieder zurück. Auf einen „Grashügel“ mit knapp 2.100m, den Fe „ein bissle langweilig nennt“. Vielleicht also genau das richtige für uns.

Der indische Vorabend hängt uns etwas nach und so sind wir erst um 10 Uhr in Baad (1.215m), finden einen der letzten Parkplätze und marschieren los. Wir sind nach einer knappen Stunde an der mittleren Spitalalpe und haben die ersten 300 Höhenmeter hinter uns. Nach einer weiteren Stunde sind wir an der Derrenalpe vorbei und auf dem Derrenjoch auf 1.875m angelangt. Links geht es auf die Güntlespitze und rechts auf den Hochstarzel. Wir entscheiden uns noch eine halbe Stunde Richtung Güntlespitze aufzusteigen und dann zu rasten. Das Terrain ist schrecklich matschig, aber die Ausblicke sind schlicht grandios. Im Osten türmen sich Bärenkopf und Widderstein, im Norden der Hohe Ifen und rechts davon das Walmendinger Horn. Im Westen ist der Blick endlos bis zur Kanisfluh. Wer braucht da einen Gipfel? 

Dennoch steigen wir nach einer halben Stunde weiter auf. Meter um Meter auf einem ausgetretenen Pfad, unregelmäßig, matschig und steinig. Kurz vor dem Wechsel auf den finalen Grat meldet Tina, dass der Blick nach unten sie zur Umkehr zwinge. Ich überhole, kehre auf den Pfad Richtung Gipfel und halte 100m vor dem Gipfel inne. Es wird merklich weniger Berg und rechts und links geht es abwärts. Das letzte Stück ist eine Gratwanderung und obwohl den ganzen Morgen schon Leute nach oben sind, verlässt mich der Mut und ich drehe um. Da kommt mir ein Wanderer entgegen…mit Tina im Schlepptau! Sie hat sich überwunden und die Stelle vor der Kehre bezwungen. Sie steigen zu mir auf und der Wanderer rät uns, den Starzelgrat eher nicht zu versuchen, weil er Kletterpassagen enthielte, wo die Hände benötigt würden. Leichten Schrittes zieht er weiter und wir sehen ihm nach, wie er die letzten Meter mühelos meistert. 

Tina und ich sehen uns an. Wir genießen einen letzten Blick auf das Panorama und drehen um. Manchmal wird ein Grashügel zu einem Berg und eine Gratwanderung zur persönlichen Grenze. Und das Erkennen einer Grenze lässt sich ertragen, weil der Ausblick unterhalb des Gipfels auch beeindrucken kann. Wir wandern durch das matschige Derrental zurück und sind um 17 Uhr wieder am Auto.

Was bleibt? Ein schöner Tag in den Bergen als Vorbereitung auf die anstehende Nepalreise. Die Erkenntnis was machbar ist und was nicht und das beruhigende Gefühl, persönliche Grenzen akzeptieren zu können. Von allen Wanderern haben wir als einzige den leichten Rückweg gewählt, der gesamte Rest ist über Hochstarzel und Starzeljoch abgestiegen. Aber wir trafen in den letzten zwei Stunden keine Menschenseele, hatten Kuhglockengeläut, Bachgeplätscher und Murmeltierfiepen ganz für uns allein. #MECS2018

Körper und Geist…#MECS2018

Gemeinsam mit Tina, Irmi und Fe bin ich zu einer Wanderung ins Kleinwalsertal aufgebrochen, um mich körperlich und mental auf Nepal vorzubereiten. Schließlich sind es morgen nur noch sieben Wochen, bis der Flieger gen Kathmandu abhebt.

MahdtalFe suchte uns daher eine Tour aus, die in der Theorie bis auf den Hohen Ifen hätte gehen können. Ein markanter Plateauberg mit gut 2.300m Höhe, der in Nepal wohl nicht einmal die Bezeichnung Hügel verdienen würde. Ausgangspunkt war auf 1.100m, der höchste Punkt auf dem Weg zum Gottesacker die Gottesackerscharte auf 1.967m.

Durch das Mahdtal geht es ab 9.30 Uhr stetig bergauf, am 70m tiefen und über 10km langen Höllloch vorbei zur Mahdtalalpe. Die Gottesackerwände türmen sich imposant auf und es gibt nichts, was Schatten spendet. Am Windecksattel nach 3 Stunden dann die erste Rast im Schatten des Torkopfes. Nach 30 Minuten geht es weiter und beim Wandern über das Hochmoor kommt langsam die Gottesackerscharte ins Blickfeld. Dahinter liegt der Gottesacker und an dessen Ende der Hohe Ifen. Die letzten gut 100 Höhenmeter zehren an den Kräften, aber schließlich bin auch ich oben und der Blick über die Karstebene Gottesacker ist beeindruckend. HochmoorWährend Fe schon nach dem Weg über den Gottesacker sucht, setze ich mich und witzele mit den anderen, die dort ebenfalls verschnaufen. „Wieso kommt man in den Bergen leichter ins Gepräch?“, fragt eine Wanderin. „Weil die Zahl der Arschlöcher über 2.000m rapide abnimmt“, antwortet ein Mann. Geistvoller hätte ich es nicht ausdrücken können.

Was folgt ist eine Wanderkletterei über die Karstfelsen des Gottesackers, die die beste Ehefrau der Welt schlicht „unkommod“ nennt. Rechts liegt Deutschland, links Österreich. Nach einer Stunde Grenzwanderung stehen wir an der verfallenen Gottesackeralpe. Es ist kurz nach 14 Uhr. In gut zwei Stunden fährt die letzte Ifenbahn nach unten und das Gipfelkreuz des Hohen Ifen leuchtet in der Sonne… bleibt aber heute unberührt. Wir entscheiden uns für den Abstieg durch das Kurental. Eine Stunde Geröllschlucht und etwas mehr noch durch den Wald bis wir gegen 16.30 Uhr joggend den Bus noch schaffen, der uns etwas näher an den Ausgangspunkt bringt, den wir schließlich um 17.15 Uhr erreichen.

Gottesacker_Hoher IfenDie Hüttenwirtin kredenzt Bier und Radler, die nach knapp acht Stunden in den Bergen, 900 Höhenmetern hoch und wieder runter und rund 13km Strecke in gefühlt 40 Sekunden „verdampfen“. Körper und Geist machen mit, auch wenn beim Abstieg der Spaßfaktor zu kurz kam. Die vorhandene Ausrüstung erledigte die Wanderung zuverlässig, das ermutigt für Nepal. Länger als acht Stunden wird in Nepal nicht gewandert und wie sich gut drei Stunden bergauf anfühlen, die wir nach Namche Bazaar auch benötigen, weiß ich jetzt (natürlich ohne den Höheneffekt im Himalaya, klar). Ich habe im Kleinwalsertal eindrucksvoll bewiesen wie man langsam wandert. Ideale Voraussetzungen also, um mich auf den Etappen im Khumbu wandernd zu akklimatisieren.

HerzAm Geist muss ich noch arbeiten. Ich freue mich zwar auf das stetige Wandern ohne an etwas denken zu müssen, aber dennoch muss der Geist so wachsam und achtsam bleiben, dass ich besondere Bilder oder Momente auch wahrnehme und einfange. Das letzte Bild habe ich in der Kurenschlucht nicht wahrgenommen (aber sicher nur, weil die beste Ehefrau der Welt mich elegant daran vorbeigelotst hat). Sie hat es aber für mich aufgenommen und hat es mir geschickt! Ich revanchiere mich in Nepal…#MECS2018

Schatzsuche

Endlich Ferien! Die jugendlichen Mitbewohner in unserem Haushalt erfahren vom Jahrhundertsommer mit Rekord-Temperaturen aus ihrer Wetter-App (Rolladen hoch machen wäre zu anstrengend) und an den lauen Sommerabenden bleibt freie Zeit für Grillabend, Freunde, draußen sitzen… oder was immer uns sonst noch einfällt, einfach so – an einem Mittwoch abend.

Der Blick auf den Kalender erinnert mich daran…noch 63 Tage bis Abflug. NUR noch! Die Vorbereitungen der Männer laufen auf Hochtouren: die Tollwut-Impfung haben sie prächtig überstanden, die neue Schlafsäcke warten auf den ersten Einsatz, Merino-Unterhosen, Kopfbedeckungen und Socken wurden probegetragen. #Läuft.

Wie läuft es bei mir – bin ich auch gut vorbereitet? Kann ich die restlichen knapp 60 Tage noch für sinnvolle Vorbereitungen nutzen – für 3 Wochen ohne Mann? Ich frage mich: was kann passieren „ohne“?

Super-Gau Stufe 1: zum Abendessen kein Brot da. Oder Stufe 2: Abfluss verstopft. Oder Stufe 3: eine unverhoffte Rechnung! Spülmaschine, Wäsche, Autopanne, Kinder…für alles finde ich schon mal gedanklich Lösungen oder jemanden, der mir weiterhelfen kann, so dass ich guter Dinge bin: der Allein-Alltag mit den Kindern wird klappen.

Doch was ist mit diesen ganz kleinen Momenten, die wir so selbstverständlich jeden Tag miteinander konsumieren? Die Augenblicke, bei denen wir uns ohne Worte verstehen und wenn nur ein Blick ausreicht, um einen gemeinsamen Gedanken zu teilen oder das selbe Gefühl zu empfinden? Oder über das Gleiche genauso herzhaft lachen zu können? Ein Geschenk! Es wird mir fehlen, die eigene Sprache zu teilen, die wir miteinander gefunden haben, und uns unsere Verbundenheit in kleinen Geheimbotschaften jeden Tag spüren lässt. Es wird mir fehlen, mich bedingungslos anlehnen können, wenn alles um mich herum still geworden ist.

Small gold nuggets in an antique measuring

Ich nehme mir fest vor, an jedem dieser restlichen 63 Tage einen dieser kleinen Glücksmomente einzufangen und zu bewahren – (m)ein Schatz für schatzlose Zeiten.

Noch 63 Tage bis Abflug…