Grashügel, Gratwanderung und Grenzen

Gestern sind wir zur Tour auf die Güntlespitze aufgebrochen. Allein. Tina und ich. Von Baad im Kleinwalsertal über 800 Höhenmeter in drei Stunden nach oben und dann wieder zurück. Auf einen „Grashügel“ mit knapp 2.100m, den Fe „ein bissle langweilig nennt“. Vielleicht also genau das richtige für uns.

Der indische Vorabend hängt uns etwas nach und so sind wir erst um 10 Uhr in Baad (1.215m), finden einen der letzten Parkplätze und marschieren los. Wir sind nach einer knappen Stunde an der mittleren Spitalalpe und haben die ersten 300 Höhenmeter hinter uns. Nach einer weiteren Stunde sind wir an der Derrenalpe vorbei und auf dem Derrenjoch auf 1.875m angelangt. Links geht es auf die Güntlespitze und rechts auf den Hochstarzel. Wir entscheiden uns noch eine halbe Stunde Richtung Güntlespitze aufzusteigen und dann zu rasten. Das Terrain ist schrecklich matschig, aber die Ausblicke sind schlicht grandios. Im Osten türmen sich Bärenkopf und Widderstein, im Norden der Hohe Ifen und rechts davon das Walmendinger Horn. Im Westen ist der Blick endlos bis zur Kanisfluh. Wer braucht da einen Gipfel? 

Dennoch steigen wir nach einer halben Stunde weiter auf. Meter um Meter auf einem ausgetretenen Pfad, unregelmäßig, matschig und steinig. Kurz vor dem Wechsel auf den finalen Grat meldet Tina, dass der Blick nach unten sie zur Umkehr zwinge. Ich überhole, kehre auf den Pfad Richtung Gipfel und halte 100m vor dem Gipfel inne. Es wird merklich weniger Berg und rechts und links geht es abwärts. Das letzte Stück ist eine Gratwanderung und obwohl den ganzen Morgen schon Leute nach oben sind, verlässt mich der Mut und ich drehe um. Da kommt mir ein Wanderer entgegen…mit Tina im Schlepptau! Sie hat sich überwunden und die Stelle vor der Kehre bezwungen. Sie steigen zu mir auf und der Wanderer rät uns, den Starzelgrat eher nicht zu versuchen, weil er Kletterpassagen enthielte, wo die Hände benötigt würden. Leichten Schrittes zieht er weiter und wir sehen ihm nach, wie er die letzten Meter mühelos meistert. 

Tina und ich sehen uns an. Wir genießen einen letzten Blick auf das Panorama und drehen um. Manchmal wird ein Grashügel zu einem Berg und eine Gratwanderung zur persönlichen Grenze. Und das Erkennen einer Grenze lässt sich ertragen, weil der Ausblick unterhalb des Gipfels auch beeindrucken kann. Wir wandern durch das matschige Derrental zurück und sind um 17 Uhr wieder am Auto.

Was bleibt? Ein schöner Tag in den Bergen als Vorbereitung auf die anstehende Nepalreise. Die Erkenntnis was machbar ist und was nicht und das beruhigende Gefühl, persönliche Grenzen akzeptieren zu können. Von allen Wanderern haben wir als einzige den leichten Rückweg gewählt, der gesamte Rest ist über Hochstarzel und Starzeljoch abgestiegen. Aber wir trafen in den letzten zwei Stunden keine Menschenseele, hatten Kuhglockengeläut, Bachgeplätscher und Murmeltierfiepen ganz für uns allein. #MECS2018

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