Weil die Frage kommt

Der letzte Abend in Kathmandu, die letzten Mo:Mo‘s geteilt und das letzte Stückchen Chillichicken mit einem Schluck Nepal Ice Bier hinuntergespült. Eine letzte Dusche, um danach die letzten Klamotten zu verpacken, bevor wir morgen nach Deutschland zurückkehren. 

Wie war‘s? Nun, zuallererst war es eine Reise mit einem sehr guten Freund. Bis auf die Unterwäsche und zwei, drei Meinungen haben wir alles brüderlich miteinander geteilt, am Ende gar die Erkältung und die Mode für die daheimgebliebenen Frauen. Ich sage an dieser Stelle einfach: Danke, Klaus!

Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle auch an Ines, Bijay, Mane und Pemba von Nepal Himalaya Reisen. Wir waren bei Euch in den besten Händen! Wir mussten uns auf dem Trek nur um uns kümmern, weil ihr im Hintergrund alles geplant und organisiert habt. Es konnte nicht besser sein. Dhanyabad!

Nepal ist ein tolles Land und deshalb ist die ganze Welt zu Besuch. Die internationalen Kontakte habe ich genossen, egal ob lang oder kurz. Brasilien, Indien, Malaysia, Polen, Slowakei, Schottland, Litauen, USA, Neuseeland, Holland, Frankreich, Israel usw. Es gab immer etwas zu erzählen und obwohl oft über dasselbe geredet wurde, war es immer anders. Nur schön oder beeindruckend oder lecker oder kalt war es immer.

Der Besuch der Chepangschule war etwas ganz besonders. Ein gutes Dutzend Leiter und Lehrer kümmern sich um fast 250 benachteiligte Kinder, die ohne diese Schule keine Ausbildung bekämen. Der Idealismus, mit der diese Aufgabe bewältigt wird, scheint grenzenlos. Klaus und ich wurden über das Wochenende unglaublich freundlich aufgenommen und beherbergt und wir hoffen, dass wir durch unseren Besuch und die nachfolgenden Präsentationen die Solidarität und die Verbundenheit zur Navodayaschule weiter fördern und festigen. In einem Nebensatz sei noch erwähnt, dass wir in drei Wochen Nepal nirgends so abwechslungsreich und köstlich gegessen haben wie in der Chepangschule (und ich weiß, dass ich gestern die Küche Kathmandus in den höchsten Tönen gelobt habe).

Bleibt noch das Trekking. Ich habe sehr viel Zeit und Geld in die Ausrüstung investiert und jede Minute und jeder Euro hat sich bezahlt gemacht. Ich habe nichts vermisst und nichts umsonst mitgenommen, es war schlicht perfekt. Merino heißt das Zauberwort auf langen Treks!

Zehn Tage sind Klaus und ich durch die Khumburegion gelaufen. Im Vergleich zu den meisten anderen, haben wir aber eine leichte Tour absolviert, die mir dennoch an manchen Tagen alles abverlangt hat. Die Wahl der Tour war für mich genau richtig, was im Umkehrschluss bedeutet, dass Treks an das Everest Base Camp, über die „Drei Pässe“ oder gar auf den Island Peak für mich nicht in Frage kommen. Ich wäre auch nicht bereit, mich über einen Zeitraum von zwei, drei Wochen von Lodge zu Lodge zu schleppen. Die Blicke in den Himalaya sind zwar einzigartig, aber sie haben ihren Preis.

Bleibt also die Frage nach einer Wiederholung. Ich habe hier Menschen kennengelernt oder von Menschen gehört, die zum vierten Mal in Nepal waren, die vier Wochen unterwegs waren, die unbedingt wieder kommen wollen, die erst letztes Jahr hier waren oder die für nächstes Jahr schon wieder gebucht haben. Diese Sehnsucht, die Berge immer wieder neu erleben und erwandern zu müssen, hat sich bei mir nicht eingestellt. Das Panorama um den Mt. Everest hat sich für immer in meine Großhirnrinde eingebrannt, aber damit ist es jetzt auch gut, sogar sehr gut. 

Ich habe einen Teil Nepals erlebt und dafür bin ich einfach dankbar. Ich würde diese Reise immer wieder machen wollen, doch nun, wo sie zu Ende ist, werde ich sie nicht nochmal machen. Obwohl ich jetzt die Brücken kann. Namaste!

Kathmandu

Bei Ankunft Kathmandu, nach dem Besuch der Chepangschule Kathmandu und jetzt nach dem Trek wieder Kathmandu. Das Hotel Moonlight ist eine Oase der Ruhe mitten im größten Chaos der Stadt und ein idealer Ausgangspunkt für die Sightseeingtouren. Wenn man sich denn hinaustraut.

Kathmandu hat eine Million Einwohner, der Ballungsraum um die 2,5 Millionen und gefühlt treffen sich alle in der Mitte, in Thamel. Die Stadt ist chaotisch, sie ist dreckig, sie wirkt an allen Ecken irgendwie unfertig und sie ist laut. Mehr als einmal habe ich gehört, wie Touristen (vorzugsweise deutsche Damen) sich negativ über die Stadt geäußert haben. Eine Zumutung, überall Staub und Dreck, der Verkehr eine Katastrophe usw. usw. Sie haben nicht einmal unrecht.

Ich mag Kathmandu und ich habe diese Meinung auch entgegen der üblichen Touristenmeinung vertreten. Chaos und Dreck stören mich nicht, die hupenden Roller und Taxen gehören genauso zum Stadt- bzw. Klangbild wie die kläffenden Hunde nachts. Wenn man die offensichtlichen Fehler im System ausblendet, bleibt eine sehr sichere und freundliche Stadt mit internationalem Format. Ich wurde nicht bedroht, beklaut oder bedrängt, irgendwas zu kaufen. In wenigen Großstädten habe ich mich selbst in den engsten Gassen so unbeschwert bewegt oder bin außerhalb des Zentrums alleine auf Tempeltour gewesen wie in Kathmandu. Der Dienstleistungsgedanke gilt für Cafes, Restaurants und Läden gleichermaßen und wer sich wie ich, wenn auch mit etwas Anlauf, auf das Handeln und Feilschen einlässt, hat eine Menge Spaß. Der nervige Flöten- oder Tigerbalmverkäufer fällt da nicht mehr ins Gewicht.

Wir haben eine gute Hand voll Restaurants ausprobiert und haben für 1,86 Euro oder auch mal für 7 Euro gegessen…und zwar hervorragend. Die Qualität an nepalesischem oder indischem Essen ist schlicht überragend und wem bei den offenen Metzgereien am staubigen Straßenrand die Lust auf Fleisch vergeht, der ist bei den vegetarischen Gerichten bestens aufgehoben. Die Stadt bietet eine grandiose Auswahl für alle Geschmacksrichtungen und jeden Geldbeutel.

Die zahlreichen Heiligtümer innerhalb der Stadt gehören seit 1979 zum Weltkulturerbe und sind allesamt einen Besuch wert. Der Durbar Square ist in zwanzig Minuten zu erreichen, wenn man sich vom Chaos auf dem Paknajol nicht abschrecken lässt, sondern sich als Fußgänger einfach in den Verkehrsfluß einreiht. Vom Hotel Moonlight läßt sich Swayambhunath in dreißig Minuten erlaufen, was neue Einblicke in die Stadt erlaubt. Für 4 Euro fährt das Taxi vom Hotel aus nach Bodnath und von dort kommt man in einer halben Stunde durch eine nach nepalesischen Maßstäben bevorzugte Wohngegend nach Pashupatinath. Während die buddhistischen Heiligtümer Swayambhunath und Bodnath zu den eher ruhigen Sehenswürdigkeiten gehören (wenn man vom Affenzirkus in Swayambhunath mal absieht), ist in Pashupatinath deutlich mehr geboten. Wer das Glück hat, sich von einem Führer wie Kormar für einen guten Fünfer durch Pashupatinath leiten zu lassen, erhält Einblicke in den Hinduismus, die man allein niemals bekommen hätte. Die Zeremonie der Totenverbrennung in aller Öffentlichkeit ist wahrlich etwas Besonderes.

Für mich waren der Besuch der Chepangschule und die Aussicht auf die Achttausender wie den Mt. Everest die Hauptgründe für die Reise nach Nepal. Jetzt, wo die Reise zu Ende geht, ist vielleicht Kathmandu der heimliche Gewinner.

Phunki Thenga 24.10.18

Die Nacht in der Trekkers Lodge in Tengboche war recht ordentlich. Die Erkältung ist noch da, aber im Gemeinschaftsraum brennt schon oder noch ein Feuer im Ofen, so dass der Kälteschock nicht gleich beim Frühstück kommt.

Wir verlassen Tengboche bei minus 4 Grad in Richtung Dingboche, eine Tagestour um die fünf Stunden. Was genau es in Dingboche gibt weiß ich nicht, aber ich will es zumindest probieren. Die ersten 30 Minuten geht es abwärts nach Deboche, ein Ausweichquartier für Tengboche. Ich merke, dass mir jeder Schritt schwer fällt. Ich schnaufe bis in die letzte Bronchie, aber der Sauerstoff erreicht die Oberschenkel nicht. Nach einer Stunde sage ich „Nein, es geht nicht“. Ich entschuldige mich, dass wir die letzte Etappe streichen müssen und dass wir die 4.000m-Grenze nicht erreichen. Klaus hat kein Problem damit und zeigt Verständnis. Pemba ist gleich am Telefon und organisiert, storniert und bucht neu. Wie immer auf der Tour ist „the room not confirmed yet“, aber am Ende schlafen wir alle in einem Bett und jeder für sich.

Wir kehren um nach Tengboche und der Anstieg kostet mich die letzten Körner. Vor dem Tengboche Guest House setzen wir uns in die Sonne und die Berge strahlen um die Wette. Gefühlt habe ich zum ersten Mal Gelegenheit, das Panorama bewusst zu genießen. Nicht im Gehen, auf dem Rückweg oder nach 12 Uhr schon von Wolken verhangen, sondern bei schönstem Sonnenschein vor blauem Himmel. Wir trinken Tee und zählen Taboche, Nuptse, Everest, Lhola, Lhotse, Lhotse Shar, Ama Dablam, Kantega und Thamserku…und wieder zurück. Und nochmal von vorn. Es ist herrlich. Wir kommen mit zwei Schottinnen ins Gespräch, denen das Spektakel so gefällt wie uns. Auch sie sind eher gemäßigt unterwegs und freuen sich jetzt auf das Mani Rimdu. Der Bruder eines Freundes ist hier Mönch und so bekommen sie zu diesem Fest noch buddhistische Hintergründe im Livebetrieb.

Um kurz vor 13 Uhr suchen wir uns Plätze im Innenhof des Klosters und bezahlen brav 3,50 Euro. Um Eins soll es losgehen, aber auch hier gilt Nepalizeit und daher nehmen die beiden Bläsermönche erst um 13.40 Uhr Platz. Vier Trommelmönche besetzen die Ecken des Innenhofes und auf der Treppe erscheinen zwei Mönche mit gewölbten Becken. Einer macht ein Scheppergeräusch, der andere macht nach. Aus den Ecken kommt unvermittelt ein Paukenschlag, dem drei weitere Folgen. Synchron ist das nicht. Der Mönch am unteren Ende der Treppe ist fertig, der obere Mönch geht nach unten und aus der Gebetshalle kommt ein neuer Mönch. Vormachen, nachmachen, Paukenschlag, Paukenschläge. Insgesamt acht Mal. Ich sitze in der prallen Sonne, weil mir die anderen Plätze des Klosters zu kalt waren. Als ich wieder aufwache, stehen acht Mönche im Kreis und tanzen auf einem Bein mit ausgestreckten Armen. Die Bläsermönche blasen zeitgleich hoch-tief und die acht Mönche drehen sich weiter. Mir erschließt sich die Zeremonie nicht, es wirkt etwas wie musikalische Früherziehung. Im Wegnicken klopft mir Pemba auf die Schulter „We go“. Ich widerspreche nicht. „How did you like Puja?“. „Definitely something different“.

Weil Tengboche komplett ausgebucht ist, müssen wir runter bis an die Brücke über den Dudh Kosi. Das dauert nur eine gute Stunde, dann sind wir in Phunki Thenga in der Zembala Lodge. Das Zimmer wirkt einladend, auf der Bettwäsche steht „The Magic of Love“. Der Gemeinschaftsraum ist mäßig warm und fest in deutscher Hand. Während Gespräche mit Trekkern aus anderen Ländern immer unterhaltsam sind und leicht von den Lippen gehen, sind Gespräche mit Landsleuten immer zäh. Dem Paar aus Nürnberg geht das Du nicht über die Lippen und zur Reisegruppe, die auf dem Renjo La Pass war, finden wir keinen Draht. So gehen um 20.30 Uhr die Lichter aus.

Morgen geht es zurück nach Namche Bazar.

Hüttenabend auf Nepali 23.10.18

Wir sitzen im berühmten Tengboche auf 3.875m. Von Khumjung haben wir knapp 5 Stunden gebraucht. Ein klassischer Nepali Triathlon – runter, rüber (Brücke!), rauf. Fast drei Stunden auf einem staubigen Trail nach oben…und oben bereits Wolken. Keine Sicht, kein Panorama. Nepal done the hard way.

Tengboche hat das berühmteste Kloster in der Khumburegion und ist einer der Hauptorte auf dem Weg ans Everest Base Camp (EBC). Der Flecken ist brechend voll. Klar, Hochsaison und ab morgen ist auch noch das größte buddhistische Fest der Sherpas „Mani Rimdu“ im Kloster.

Wir sind in der Trekkers Lodge untergekommen, wo Zelte davor stehen und ein Spiegel mit Rasierklingen am Baum hängt, damit sich wer auch immer dort richten kann. Zelte stehen auch vor dem Tengboche Guest House. Es gibt keine Zimmer mehr.

Der Gemeinschaftsraum der Trekkers Lodge ist voll und zur Abwechslung mal früh beheizt. Kein Wunder, der eiskalte Wind bläst laut Pemba den Schnee von den Bergen in den Ort, man meint es schneit. Gutes Wetter gibt es dieses Jahr nur von 7-12 Uhr, danach ist wolkig. Klaus sitzt neben mir und macht sich Notizen, er wirkt zufrieden. Die Trekkers Lodge ist ein architektonischer Alptraum, unser Zimmer liegt hinter dem Lager und die Toilette ist ein Grund, sich für immer eine Darmverschlingung zu wünschen. 

Zwölf Japaner sitzen neben uns, gegenüber vier Neuseeländer, die mit ihrem Guide die Tour besprechen. Das Paar aus Litauen gönnt sich für 500 Rupien eine Hot Shower. Respekt, danach frierst Du erst mal wie ein Schneider. Ein Franzose sitzt bei den Japanern. Er hat das Zimmer ohne Fenster, wenn er die Türe aufmacht, verstellt er den Flur und kommen wir nicht in den Gemeinschaftsraum.

Das Mädchen der Besitzer füttert den Ofen mit Holz und stellt oben immer Töpfe mit Wasser auf. Kochendes Wasser ist eine der Hauptwährungen im Khumbu, 2 Liter kosten um die 3 Euro. Doch wer möchte auf Tee oder die warme Nalgeneflasche im Schlafsack verzichten, die die ersten Kalteschockmomente mindert? Der Chef der Lodge telefoniert meist wichtig und lauthals und schreibt simultan in sieben Kladden, die vor ihm liegen. Die Hütte brummt.

Knoblauchgeruch kommt hinter uns aus der Küche und mischt sich mit dem Qualm der Räucherstäbchen, die auf der Theke vor sich hin kokeln. Ein Hauch von Hüttenzauber. Um 18.30h gibt es Essen. Angekündigt wird es jeden Abend mit einem Hot Towel, das es so nur im Flieger gibt. Litauen, Deutschland, Japan, Neuseeland ist die Reihenfolge beim Essen. Der Amerikaner aus Washington State, den es in Lobuche auf 5.000m mit der Höhenkrankheit erwischt hat, sitzt noch leicht lethargisch neben mir. Er wäre jetzt auf Diamox, alle 12 Stunden, und freue sich jetzt auf Mani Rimdu. Dann zurück nach Namche. So erzählt man sich die Treks. Drei Pässe für Neuseeland, das EBC für Litauen, da waren die Japaner schon. Um 20.00h kehrt Ruhe ein und alle Trekker machen sich bettfertig. Auf den Bänken im Gemeinschaftssaal werden Decken ausgebreitet, denn die Guides müssen auch wo schlafen. Ein Bild für Götter, als ich mir um 20.15h die Zähne putze und daran vorbei muss.

Wir wollen morgen nach Dingboche, aber meine Erkältung macht mir einen Strich durch die Rechnung.

Zwei Freunde – zwei Blickwinkel

Dieses Jahr ist es im Khumbu für einen Oktober ungewöhnlich kalt. Das lässt sich morgens nach Sonnenaufgang in Thame auf 3.900m auf dem Weg vom Schlafsack zur Morgentoilette unmittelbar bestätigen. Gütiger, ist das kalt! Zähneputzen bei gefrorenem Wasser geht nur mit Trinkwasser aus der Vorratsflasche, der Rest an Schmalspur-Körperpflege wird mit feuchten Waschtüchern aus der Verschlusspackung erledigt.

Nach dem Frühstück steigen wir entlang des mächtigen Bergmassivs von 6000ern, aus deren Mitte der Thamserku herausragt, in Richtung Namche Bazar ab. Im Vorbeigehen in Thamo lauschen wir erstmals den Klängen, Tönen und Gesängen einer „puja“, der Gebetszeremonie buddhistischer Mönche, aus einem häuslichen Gebetsraum heraus. Es erklingen keine Lieder im europäischen Kirchenstil, sondern ein tonal gleichförmiges Gebetsgemurmel mit animalisch anmutender Instrumentaluntermalung aus Muscheln, Becken und Rohren. Der Rest des Morgens ist schnell erzählt: rauf, immer bergauf. Zur Lunchzeit erreichen wir Syangboche, eine kleine Hochebene auf 3.700m, auf der sich ein 400m langes unbefestigtes Flugfeld befindet. 1995 hatte ein privates Unternehmen begonnen, den „Syangboche Airstrip“ zu bauen und mit einmotorigen Flugzeugen für Trekker und Expeditionen anzufliegen. Nach massivem Protest von Einheimischen, die um ihre Existenz fürchteten, wurde der Flugbetrieb 1996 von der nepalesischen Regierung wieder verboten. Die Szene dieses seit 20 Jahren verlassenen Flugplatzes in dieser unwirtlichen Gegend wirkt gespenstisch.

Nach einer weiteren Stunde Wegstrecke erreichen wir Khumjung. Für den Nachmittag steht der Besuch des Klosters auf dem Reiseprogramm, und dass man von einem der örtlichen Hügel aus den Sonnenuntergang genießen könne. Letzteres fällt mangels Sonnenschein aus, es ist nebelig und nasskalt. Es bleibt der Besuch des zweitgrößten Klosters der Khumbu-Region mit einer darin ausgestellten Attraktion. In der Mitte des Gebetsraums ist in einem Glasschrein der angebliche Skalp eines Yeti ausgestellt. Internationale Zoologische Untersuchungen haben zwar keine Hinweise auf eine bislang unbekannte Primatenart erbracht, aber die Menschen glauben an dessen Existenz. Und die Mönche nutzen den Skalp auch in Zeremonien und weisen ihm eine religiöse Bedeutung zu.

Der Rest des Tages könnte im Besonderen mit der Überschrift „Zwei Freunde – zwei Blickwinkel“ unschrieben werden. Michele leidet unter der körperlichen, auch erkältungsbedingten Belastung, nachlassender Motivation, der Dauerkälte und den immer weiter sinkenden Zivilisationsstandards. Ich dagegen genieße einen weiteren Nachmittag des erzwungenen Nichtstuns. Dass niemand etwas von mir will und dass ich ohne inneren oder äußeren Rechtfertigungsdruck einen Nachmittag einfach so liegend und an die Decke starrend oder mit geschlossenen Augen in meinem Schlafsack zubringen kann.

Unterschiedliche Wahrnehmungen dieser Art begleiten uns bei dieser Reise nicht nur an diesem Montag.

Ein Zwischenfazit 21.10.18

Heute ist Sonntag, 21. Oktober, Halbzeit. Wir sind in Thame, das wir nach vier Stunden von Namche aus durch das Bhote Kosi Tal erreicht haben. Eine leichte bis mittlere Tour durch den Wald, durch ein paar kleine Dörfer am Fluss Bhote Kosi entlang. Und eine ruhige Tour nach dem hektischen Treiben in und um Namche. Aber auch eine Tour ohne große Höhepunkte, bis auf den Blick von Thame zurück auf den Thamserku und den ganz spitzen Gipfel Charpatey links davon vielleicht. Der Besuch des Klosters Thame mit seiner bunten, altehrwürdigen Gebetshalle entschädigt für den letzten Anstieg.

Meine drei Ziele für diese Reise sind schon erreicht. Ich wollte die Chepang-Schule besuchen, ich wollte nach Namche Bazar und wollte den Mt. Everest sehen. Alles was jetzt noch kommt ist Bonus, aber eben Bonus, der für den Erfolg der Reise nicht mehr ausschlaggebend ist. Ich kann mir vorstellen, dass die Motivation am Ende der Trekkingwoche nachlässt, weil eben die Höhepunkte schon abgearbeitet sind, lasse mich aber gerne eines besseren belehren. Vielleicht bietet Tengboche noch etwas.

Ich freue mich über das Erreichte, über den Trip nach Lukla, über meine Ausrüstung, die perfekt passt und funktioniert, über die vielen internationalen Kontakte und Bekanntschaften, die einem für Minuten, Stunden oder gar für einen ganzen Tag vergegenwärtigen, dass eine solche Reise durchaus ein Privileg ist und man für diesen Zeitraum zu einem erlauchten Kreis gehört. 

Ich kann auch gerade noch so damit leben, dass die Hotels, Lodges und Gästehäuser so komfortabel bzw. so unkomfortabel sind, wie erwartet. Das Klo auf dem Gang, die kahlen, hellhörigen Holzwände, das eiskalte Wasser aus Plastikeimern usw., das alles ist für 10-12 Tage auszuhalten, schließlich sind wir in Nepal. 

Leider war bisher jeder Tag ab 14 Uhr wolkenverhangen und versagte uns immer das Panorama bei Ankunft. Dabei wäre mir ein Blick auf das Dach der Welt als Belohnung der morgendlichen Anstrengung wichtig. Die vielgepriesenen Sonnenuntergänge finden dieses Jahr woanders und ohne uns statt. Mit den Wolken sinkt die Temperatur sofort und es ist dann schlagartig kalt. Eine gemütliche Regeneration ist in den Lodges kaum möglich und ich muss sagen, das zehrt am Gemüt.

Was fehlt? Ich habe unzählige Maniräder gedreht „to purify your soul“ und bin an vielen Manisteinen und Chorten links herumgegangen, aber die geistige Erneuerung blieb bisher aus. Ich hatte mir vorgestellt, dass Nepal etwas mit mir macht, mir einen Geistesblitz schickt oder eine ungestellte Frage beantwortet, aber bis dato bin ich einfach nur beim Trekken. Ein Amerikaner, der seit 22 Jahren in Kathmandu lebt, sagte in Thame: „For Nepali walking for hours is their way of life“. Meiner eher nicht. Aber eine Woche habe ich ja noch…

Namche Bazar 19.10.18

Seit ich begann diese Reise zu planen, war Namche Bazar immer im Mittelpunkt. Die Hauptstadt der Sherpas, dieses bunte Amphittheater im Himalaya, übt einen ganz eigenen, besonderen Reiz aus.

Wir machen uns nach einer saukalten Nacht, in einer saukalten, ungemütlichen Lodge in Phaking um 7.00h auf den Weg. Nach 10 Minuten kommt die erste Hängebrücke des Tages über den Fluss Dudh Kosi. Oben kommt langsam die Sonne über die Berge. Wir laufen relativ unspektakulär am Fluss entlang bis der Himalya zum ersten Mal Hallo sagt. Nach Benkar geht es einige richtig mistige Stufen bis nach Monjo hoch, wo wir die Trekking Permits für den Sagarmatha Nationalpark bekommen. 

Es folgt der Abstieg in den Park und danach wieder eine Hängebrücke. Die Stahlseilkonstruktionen machen einen beruhigenden Eindruck und der Boden aus Stahlschienen wirkt solide, gibt aber durch die Ritzen leider den Blick nach unten frei. Rechts und links an den Seiten gibt es Maschendrahtzaun, der bis an die oberen Seile reicht…oder eben nicht! Manchmal zu, manchmal offen und manchmal fehlt ein Stück. Vielleicht nicht so groß, dass ein Mann meiner Statur durchpasst, aber wo sind TÜV und Arbeitssicherheit, wenn manN sie mal braucht?

Wir essen in Jorsalle zu Mittag, um Kraft für den Anstieg nach Namche zu tanken. Es folgt wieder eine Hängebrücke, die wie jede Hängebrücke immer leicht wippt. Es laufen nicht alle im gleichen Schritt oder Rhythmus und das bedeutet, dass bei meinen Schritten der Boden entweder zu früh da ist oder später als erwartet, was jedes Mal eine Schrecksekunde bedeutet. Am Ende der Brücke fragt mich eine Engländerin: „You okay?“. Ich sage ihr, dass diese Dinger nicht meine Freunde sind und sie antwortet: „Oh, I hate them with a passion. Did they tell you about the last one before Namche?“. Ich nicke. „That‘s a real bastard. I almost crawled on that thing“. Na, prima.

Ich weiß von dieser Brücke und finde die Sequenz im Everestfilm toll, aber als sie kurze Zeit später auftaucht, rutscht mir fast das Herz in die Hose. Ein schreckliches Teil. Ich frage Pemba, ob wir nicht die untere Brücke nehmen könnten, aber er lächelt nur: „Lower bridge closed. We take upper bridge, is a shortcut“. Nie im Leben war mir eine Abkürzung mehr egal. Wir verlassen das Flusstal und steigen auf. Ein Schild auf Nepali verrät sicher die Details der Brücke und preist die Ingenieursleistung, aber ich bin nur froh, dass ich es nicht lesen kann. Oben angekommen hängt dieses Ding und ich bitte Pemba vor mir zu gehen. Ich ziehe links einen Handschuh an mit dem ich mich am Seil halte und lege meine rechte Hand auf seinen Rucksack. So überqueren wir in vielleicht 20 Sekunden gemeinsam dieses Scheißding. Das rot-schwarze Mammutlogo seines Rucksacks ist mein Fixpunkt, etwas anderes sehe ich nicht. Wenn es bei dieser Reise auch darum ging, persönliche Grenzen zu verschieben und die Komfortzone zu verlassen, dann war ich bei dieser Brücke genau richtig. 

Was folgt ist ein kräftezehrender, endlos wirkender Aufstieg nach Namche auf einem staubigen Weg durch den Wald. Alles, was es in Namche zu essen, trinken und kaufen gibt, muss hier hoch. Dementsprechend ist viel Betrieb. Touristen wechseln sich mit Yaks und Trägern ab. Einer bleibt mir im Gedächtnis, ein kleiner, dürrer, alter Nepali, der Knoblauch und Zwiebeln nach oben schleppt. Pemba frägt ihn nach dem Gewicht des Korbes und er antwortet auf Nepali 80kg.

Um 14.00h sind wir am Checkpost vor Namche und um 14.30h betreten wir die Stadt. Sechseinhalb Stunden waren wir unterwegs und 800 Höhenmeter haben wir gemacht und jetzt heißen uns die Gompa, die Statue von Pasang Lamu Sherpa, der ersten Nepalifrau auf dem Everest, und bunte, große Maniräder willkommen. So ungefähr habe ich es mir vorgestellt. Wir sind in Namche Bazar auf 3.400m. Wenn die Reise hier zu Ende wäre, dann hätte sie sich schon gelohnt!

Nepal, 12 points!

Mittlerweile wandern unsere Männer irgendwo im Himalaya-Gebirge zwischen Lukla und Dengboche.

Es ist kalt, die Aufstiege sind hart, und sie kämpfen…

Klaus habe ich schon Tage vorher versprochen, seinen Blogbeitrag von Lukla online zustellen. Wo sind wir stehen geblieben…? Ahja, Tag 8:

 

Nach überrasschend gut geschlafener Nacht stehen wir bei Tagesanbruch um 6 Uhr auf, um einen wolkenfreien klaren Blick auf die eindrucksvolle Bergwelt rund um Lukla zu werfen. Wir gehen zum Flugplatz, direkt neben der Unterkunft.

Was für ein top organisiertes und reges Treiben! Der gefährlichste Flughafen der Welt mit atemberaubend kurzer Start- und Landebahn von 527m Länge hat nach zwei kompletten wetterbedingten „close“-Tagen wieder geöffnet. Ein Passagierstau von drei Tagen sowohl in Kathmandu als auch in Lukla muss eilig aufgelöst werden, solange das Wetter hält. Jetzt ist „full energy“ angesagt!

Ab 6:15 Uhr fliegen die bestausgebildetsten Piloten der Welt in 5-minütiger Abfolge nur auf Sicht den kleinen bergaufführenden Flugplatz an, setzen metergenau über der Klippe am Beginn der Landebahn auf, stellen die Propeller mit ohrenbetäubendem Lärm auf eine Art Turbo-Bremswirkung und scheren mit nervenaufreibender Präzision 10 Meter vor dem Ende der Landebahn (vor einer Felswand) auf die kleine Parkfläche für vier Flugzeuge ein.

Dann ein Spektakel von 5 Minuten Dauer: 18 Passagiere raus, 18-mal Gepäck raus, 18 Passagiere rein, Gepäck rein und weg. Gefühlt haben die Passagiere kaum Zeit sich anzuschnallen, die Propeller werden nicht einmal ausgeschaltet. Wow! Nepal, 12 points…

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Da unser Gepäck am Vortag in Kathmandu verblieb, müssen wir bis 10 Uhr warten und begeben uns dann auf den Weg zu unserem ersten Tagesziel Phakding. Bemerkenswert ist hier vor allem Prem, unser Träger, der barfuß und in Badeschlappen 30 kg Gepäck in einer Geschwindigkeit zum Ziel trägt, die uns buchstäblich alt aussehen lässt. Nepal, 12 points…

Zufrieden, dass wir nun endlich mit voller Ausrüstung unterwegs sind, erreichen wir am Nachmittag Phakding. Und freuen uns auf eine Nacht im warmen Schlafsack.

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Unser Weg nach Lukla oder am Ende wird es gut

Klaus und ich wachen vor dem Weckruf (3.45h) auf. Die Nacht vor dem Abflug war unruhiger als erwartet. Wir packen unser Zeugs, schlüpfen in die Merinosachen und sind um 4.30h in der Hotelrezeption. Die Taschen und Rücksäcke legen wir auf die Waage, Übergepäck ohne Ende. Einiges bleibt im Hotel, anderes geht ins Handgepäck und wir hoffen am Flughafen auf ein mildes Urteil. Noch eine schnelle Tasse Tee, denn um 4.45h kommen Mane und Pemba, um uns zu verabschieden bzw. mit uns zum Flughafen zu fahren. Um 5.15h sind wir eingescheckt und die paar Kilo mehr hat man kommentarlos durchgeschoben… bis auf den Rucksack von Klaus, der nicht in die Kabine darf, sondern mit den Taschen mitmuss. Sabei tik chhaa, alles klar.

Um 6.15h fliegt aber niemand nach Lukla, weil sich der Nebel vom Vortag noch nicht verzogen hat. Doch um 8.30h sitzen wir im Bus, die Sonne scheint und die zweimotorige Maschine der Summit Air glänzt auf dem Rollfeld. Wir sind Flug 501, die Nummer 2 heute. Flug 301 darf zuerst, der Bus steht ein paar Meter weiter, vor der zweiten Summit Air Maschine. Unser Pilot steht lässig mit Sonnenbrille vor unserem Flieger mit der Kennung 9AN-AMG und der Batterieschlauch hängt am Flieger.

Ein wichtiger Mann mit Schutzweste verkreuzt plötzlich die Arme vor dem Kopf und ruft in den Bus: „Lukla Airport closed! Back to Terminal“. Beide Busse müssen zurück. Fast.

Charlotte, eine Holländerin bei uns im Bus, erzählt von der deutschen Miriam, die seit zwei Tagen im Terminal hockt, weil Lukla dicht ist. Wir treffen Miriam im Terminal. Sie bewahrt Fassung, ist aber merklich angefressen und denkt darüber nach, ihren Trek nicht zu machen. Doch die Stimme aus dem Lautsprecher vermeldet, dass um 11 Uhr für alle Flüge nach Lukla ein zweiter Anlauf unternommen wird. Gut so. Um 10.40h melden sich zuerst Mane und dann Ines, um die Möglichkeit eines Helikopterfluges für 180 Euro pro Person auszuloten. Lukla ist Lukla und wir kämen sonst eventuell nicht weg. Ich will den Zirkus mit einer weiteren Nacht in Kathmandu nicht machen, sondern nach Lukla. Klaus nickt und so gehen zwei bzw. drei optionale Sitzplätze im Hubschrauber an uns.

Um 11.00h stehen wir erneut vor der Maschine. Die Stimmung im Bus ist blendend. Wir sehen wie Flug 301 neben uns boardet und die Maschine gen Lukla abhebt. Na also, geht doch. Pembas Handy klingelt und er bekommt die Nachricht, dass ein Flieger aus Phablu in Lukla gelandet ist. Janiv aus den USA schaltet sich in die Diskussion ein, sein Guide in Lukla meldet schönes Wetter. Der Bus jubelt „Good Karma“ und „Positive Energy“. Wir frotzeln mit Pemba „Flighttime 6.15h plus five hours“, aber er kontert locker „6.15h Nepali time“. Gelächter im Bus.

Da taucht der wichtige Mann mit der Schutzweste auf und verkreuzt die Arme: „Lukla Airport closed. Flight 301 will return. Back to Terminal“.

Pemba telefoniert wie wild, auch weil wir ihn gebeten haben, den Heliflug für Charlotte zu checken. Das klappt und so stehen wir um 14 Uhr mit unserem Gepäck vor dem Helibüro und treffen Janiv und Gidi, den anderen Israeli, aus dem Bus. Sie haben die Plätze 5 und 6 und wollen auch heute noch nach Lukla. Der Abflug ist für circa 16.00h vorgesehen und Pemba empfiehlt Lunch im Flughafenrestaurant im ersten Stock, das wir durch einen unscheinbaren Treppenaufgang erreichen. Aber, wie könnte es an einem solchen Tag sein: „No lunch after 2pm“. Wir bleiben dennoch sitzen und Klaus schmeißt eine Runde Müsliriegel und Mannerschnitten aus seiner Vesperdose. Janiv packt eine Khumbukarte aus und wir erklären uns gegenseitig unsere Touren. Everest Base Camp gewinnt deutlich. Charlotte will danach noch eine Gruppe erwischen, die auf den Island Peak will, Respekt. 

Ab 15.15h beginnt die Wiegerei, weil die maximale Zuladung an Personen des Helis 450kg beträgt. Gidi, Klaus und ich schießen den Pfeil der Waage locker auf über 100kg, allerdings mit Rucksack und in voller Montur. Die Nepali schwanken zwischen belustigt und erschüttert. Pemba schafft es mit Rucksack gerade mal auf knapp 70kg und meint: „Not good when high weight“. Recht hat er. Bleiben um die 50kg für Charlotte, die sie aber mit Rucksack locker reißt. Der Büromanager ordnet an, die Gruppe auf zwei Helis zu verteilen und Klaus macht sich mit Teilen des Gepäcks auf den Weg – „See you in Lukla“. Der Rest der Gruppe verlässt 20 Minuten später das Terminal und trifft Klaus im Bus! „Der Pilot wollte auf einmal nicht mehr fliegen?!“.

Wir fahren zum Heliport, der hinter der Landebahn liegt. Es ist kurz vor 16.00h. In 90 Minuten ist dunkel, dann fliegt nichts mehr. Nur mit unserem Handgepäck laufen wir zum Heli von Eric „Riddler“ Ridlington und werden ermahnt uns dem Heli nur von vorne zu nähern, da beide Rotoren schon laufen. Charlotte und Pempa dürfen vorne sitzen, wir vier Männer hinten „for balance reasons“. Schönen Dank auch. Angeschnallt warten wir bis der Heli abhebt, was er nicht tut, weil dem Riddler ein Hydrauliklämpchen nicht gefällt. Wir müssen raus und setzen uns vor den Bürocontainer. Die Stimmung ist gut, obwohl wir alle seit über 12 Stunden auf sind. Die Verkleidung des Helis ist aufgeklappt und drei Mechaniker turnen um ihn herum. Der Riddler kommt und sagt, es wäre repariert, aber wir sollten mit Dave fliegen, der in fünf Minuten landet. „Super Dave will take you to Lukla“. Charlotte will wissen, ob Eric bei der National Geographic Serie „Everest Mountain Rescue“ dabei war, was er verneint. Da landet Capt. Dave Peel und wir rennen zum Hubschrauber. „Hop in, guys, quick“, es ist 16.25h. „Keep seat belt fastened at all times“, ruft er, dann hebt das Ding tatsächlich ab. Wir sehen einen Teil von Kathmandu aus der Luft, die größte Shiva-Statue der Welt und einen goldenen Buddha mitten im Wald. Als wir uns dem Himalaya nähern, dunkelt es und es ist wolkig. Nach 40 Minuten kommt Lukla in Sicht, dann sehen wir die Landebahn und um 17.05h setzt Super Dave den Helikopter sicher auf. Auch er bleibt über Nacht, weil er nicht mehr zurückkommt. „Last helicopter, last minute“.

Das Problem an Lukla ist – kommt keiner hin, kommt auch keiner weg. Das bedeutet, dass seit drei Tagen alle in den Hotels und Lodgen hocken und auf Wetterbesserung warten. Dennoch hat Pemba ein Zimmer im Hotel Numbur für uns organisiert, weil wir ja für eine Übernachtung in Phakding eingeplant waren. Ich frage ihn, wie er das gemacht hat: „You need connections and power“. Ich möchte nicht wissen, was Power in Nepal bedeutet. Im Hotel gibt es Tee und Dal Bhat und die Stimmung im Speisesaal ist gut, was aber mehr an der japanischen und holländischen Gruppe liegt, die ihren Trek erfolgreich beendet haben.

Nur mit unseren Klamotten am Leib legen wir uns auf Matratzen mit Rosenmuster und decken uns zu. „Luggage comes tomorrow, no problem“, meinte Pemba. Die Schlafsäcke sind in Kathmandu, wo es 25 Grad hat, hier im Zimmer hat es max. 5. Klaus findet es gut und mir ist es in diesem Moment fast egal. Morgen geht es nach Phakding.

Pemba Sherpa

Am Dienstag vor dem geplanten Abflug nach Lukla treffen wir Pemba zum ersten Mal im Hotel Moonlight. Mane, der mit Ines und Bijay die Agentur leitet, bringt ihn mit. Keine Ahnung, ob mein Gesichtsausdruck (völlig unabsichtlich) Verwunderung ausdrückt, aber Mane stellt Pemba mit den Worten vor: „This is Pemba. He‘s young but good“. Klaus kontert galant: „We are old but good“.

Mane erklärt uns die Tour, es gäbe vier Herausforderungen: den Anstieg nach Namche Bazar, den Anstieg nach Thame, den Anstieg nach Tengboche und die Nacht in Dingboche auf 4.400m. Wenn immer es ein Problem gäbe, sei Pemba unser Mann. 

Während wir am Mittwoch in voller Montur zur Fahrt an den Flughafen angetreten sind, kommt Pemba pünktlich um 4.45h in einer kurzen, grauen Bermuda und grauen Sneakers, die auch zuhause stehen könnten. Er trägt ein T-Shirt der Trekkingagentur und eine Fleecejacke, die uns selbst als Midlayer zu dünn wäre. Er ist unser Guide, er wird es schon wissen.

Nachdem wir in Kathmandu stundenlang im Terminal herumhocken, frage ich Pemba wie er zum Trekking kam. Mane hat ihn mit 16 Jahren gefragt, sie sind wohl irgendwie miteinander verwandt. Ein Jahr war er dann Träger, dann kam er bei verschiedenen Expeditionen ins Küchenteam, heute ist er meist Guide. 

Pemba (bedeutet Samstag) ist 25, verheiratet, und hat einen Sohn Sonam (bedeutet Montag). Er wohnt in Kathmandu und da seine Frau Amrita im Moment nicht arbeitet, ist er allein für den Lebensunterhalt verantwortlich. „If I don‘t work, there are economical problems“. Was er denn mache, wenn er nicht mit uns im Khumbu wandert?“, frage ich.

Es sprudelt aus ihm heraus, was er schon alles gemacht hat. Daulaghiri Base Camp und 2015 hat er am Everest das Base Camp mit aufgebaut und war vor Ort, als das Erdbeben die Lawine vom Pumori losgetreten hat. Während der Monsunzeit ist er in Tibet am Mt. Kailash und irgendwann zwischen Tibet und Nepal kocht er in Indien in Bihar Boudhgaya, dem Ort, wo Buddha unter einem Baum Erleuchtung fand. Ich frage ihn nach seinem höchsten Berg, den er schon bestiegen hat. „Mera Peak, but no mountain, only peak“. Der Mera Peak ist 6.500m hoch!

Für die nächsten 12 Tage organisiert Pemba als Guide unseren Weg, unsere Unterkunft, unser Essen, das Wifi, das heiße Wasser usw. und beantwortet sämtliche Fragen über unseren Trek. Ich frage ihn, wie lange im Jahr er von seiner Familie getrennt ist und er antwortet: „Ten months“.