Wir werden um 8 Uhr von Ines im Hotel begrüßt, kurz danach kommt Robin, unser Fahrer. Das Auto ist ein Skoda Rapid und sieht sehr ordentlich aus. Zehn Minuten später verlassen wir Thamel und machen uns auf den Weg zur berüchtigten Ring Road, die wir kurz kreuzen und dann Richtung Pokhara auf den Prithvi Highway verlassen wollen. Bald verändert sich das Stadtbild, der Grad der Verschmutzung und die Art des Wohnens. Die Hauptstadt Kathmandu hat also auch Rückseiten. Die letzte Straße vor der Ring Road ist nicht geteert, der blanke Boden hat knöcheltiefe Rillen und wir kommen nur im Schritttempo voran.
Rechts und links wird gewohnt, gearbeitet, gekauft und gekocht und das meist auf dem Boden. Die Zustände sind für mich als Europäer kaum vorstellbar und ich frage Robin, ob das noch die Nachwirkungen des Erdbebens von 2015 sind. „No, always like this“.
Der Prithvi Highway begrüßt uns mit Bussen und LKW. Lokale Busse, Touristenbusse und Überlandbusse nach Pokhara, Bhairahawa oder Lumbini. Es staubt und stinkt nach Diesel. Ich witzele mit Klaus über die Euro 6 Diskussion in Deutschland. What the f**k!? Die LKW sind meist von Tata, immer bunt bemalt und recht protzig.
Auf den Stoßstangen steht Road King, Hiway Star oder Speed Limit. Selten sieht man First Love oder Broken Heart…für Romantik ist halt wenig Platz. Nach knapp 90 Minuten haben wir das Ende des Kathmandutals erreicht und beginnen mit dem Abstieg durch das nepalesische Mahabharatgebirge in Richtung Terai.
Es gibt auch in Europa Serpentinenstraßen und die Kehren hier sind nicht mal übermäßig eng, so dass es recht zügig weitergeht. Robin überholt und wird überholt, meist von Jeeps oder Zweirädern, die die Lücken gekonnt nutzen. Manchmal überholt auch ein Bus, der dann vor der Kehre noch schnell einfädelt. Robin bleibt ruhig, lächelt. Auch, als uns nach der Kehre zwei LKW entgegenkommen – nebeneinander. Robin fährt ruhig weiter, der LKW schert kurz vor uns auf seine Spur. Aufgeblendet wird nur, wenn der Abstand unter zwei Meter liegt. Motorräder huschen vorbei, mit und ohne Helm, zu zweit oder zu dritt, manchmal auch mit Kind dazwischen…living on the fast lane.
Komischerweise spüre ich bei all diesem Chaos keine Aggression bei den Verkehrsteilnehmern, wie ich sie aus Deutschland kenne. Eher habe ich das Gefühl, man kümmert sich um einander und gönnt dem Gegenverkehr das gewagte Manöver. Und wenn es besser war als das eigene, wird auch mal gebremst.
Die grünen Berge ragen steil nach oben und wir passieren den Ort Dhading, der mir von meinen Chepangrecherchen bekannt vorkommt. Einige Kinder der Chepangschule kommen zu den Ferien mit dem Bus hierher und laufen dann den Rest nach Hause…bis zu sechs Stunden den direkten Weg nach oben. Die Fahrt nach Dhading war schon ein Abenteuer, aber dann noch diese Hänge erklimmen…nein, danke.
Ich frage Robin nach Schäden nach dem Erdbeben. „Only little damage here“. Das klingt gut bis auf dem Abschnitt nach Phisling auf einmal Schlaglöcher auftauchen, die die Abfahrt zum Slalom werden lassen. Robin macht das gut bis auf das letzte Loch, das er übersieht. Es ruckelt, wir verlieren kurz an Höhe, dann der Schlag durch den Reifen, die Felge, den Stoßdämpfer und die Karosserie. Autsch. In Deutschland würden wir sofort halten, den Reifen auf Sichtschäden überprüfen, die Felge bejammern und einen Termin in der Werkstatt machen. Ich schaue zu Robin und er lächelt: „Hole“.
In Kurintar zieht ein Hauch von Hollywood vorbei. Weiße Werbetafeln von Ncell und CitizensBank stehen unterhalb einer österreichischen Seilbahn im grünen Hang. Die Seilbahn führt zum Hindutempel Manakamana, der früher nur durch eine 3-4 stündige Wanderung erreicht werden konnte. Jetzt geht es in 15 Minuten steil bergauf. Oben wartet die Göttin Baghwati und erfüllt jungen Paaren ihre Wünsche. Meist ist es nur einer – ein Junge.
Rechts und links der Straße wohnen Nepali in allem was aus Ziegel, Wellblech und Holz zu bauen ist. Bunte Kioske und Restaurants wechseln sich mit Motorradwerkstätten, Metzgern und sonstigen Läden und Dienstleistungen ab. Ab zu mal ein Hotel, das in Europa nicht unbedingt als solches erkennbar wäre. Ein buntes Sammelsurium an Werbeschildern am staubigen Straßenrand.
Cola, Pepsi, Tuborg und Ruslan Wodka. Rot, blau, grün und blau. Vier Getränke scheint es in Nepal zu geben und Tuborg läuft Cola den Rang ab. Ich frage Robin, ob es auch Nepali Bier gibt? „Nepal Ice Beer“, antwortet er. „Is it good?“. „Little okay“ sagt er, aber er lächelt
nicht.
Irgendwann folgen wir dem Fluss Trishuli, der aber erst imposant wird, als der Marsyangdi oder der Gandaki aus dem Annapurnagebiet dazukommen. Ein Raftingparadies für Kurztouren über ein und zwei Tage. Bunte Zelte stehen am Ufer für die, die nicht in den Raftingressorts wohnen.
Nach gut fünf Stunden sind die Berge verschwunden und nur der Fluss ist übrig. Wir sind in Bharatpur und von dort sind es noch knapp 30 Minuten bis zum eigentlichen Ziel der Reise – der Navodaya School für Chepangkinder.