Sage Nein!

Hören Sie auch die SWR1 Hitparade? Gerade heute morgen: Platz 292 – Sage Nein! von Konstantin Wecker. Dieses Lied hat mich nicht nur heute morgen wach gerüttelt, nein, auch schon das ein oder andere mal aus einem dösenden Halbschlaf zu später Stunde beim Liedermacher-Festival auf dem Klosterwiesle in Banz. (Kennen Sie nicht? Dann sind Sie kein Lehrer und nicht über 50. 😀 Schauen Sie hier: https://www.lieder-auf-banz.de/#1)

„Nein sagen“ heißt ja nicht immer, nicht weitergehen zu wollen. Manchmal heißt es nur, die Richtung zu ändern. Die Richtung ändern auf einen anderen Weg, denn man mit sich vereinbaren kann. Wie bei unseren Männern in Nepal. Es ist Tag 13.

In früher Morgenstunde sind sie mit Aufbruchstimmung in den Tag gestartet. Der Wille, das letzte Stück nach Dengboche zu schaffen, ungebrochen. Entbehrung und Erkältung zum Trotz. Doch dann der Zwitscher-Funk aus Nepal: Es geht nicht. Es geht nicht weiter, nicht in diese Richtung. Nicht nach Dengboche.

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Uns Daheimgebliebenen fällt ein kleines Himalaya-Steinchen vom Herzen…schon seit Tagen war es aus mancher Ecke erstaunlich ruhig. Zu ruhig, um nicht hellhörig zu werden – als geübte beste Ehefrau der Welt.

Dann die Verkündung der Planänderung: lieber geordneter Rückzug und noch ein bisschen Himalaya-Luft schnuppern, statt gegen den Körper und die Vernunft weiterzumachen. In diesem Gebirge ist auf „Risiko fahren“ keine gute Idee.

Und siehe da: die Stimmung steigt, das Lächeln kehrt zurück. Zur Stärkung von Körper und Geist gönnen sie sich etwas Aufbauendes und schicken einen erleichterten Gruß in die Heimat! Wir sind es auch, Jungs! Keep on walking!

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Phunki Thenga 24.10.18

Die Nacht in der Trekkers Lodge in Tengboche war recht ordentlich. Die Erkältung ist noch da, aber im Gemeinschaftsraum brennt schon oder noch ein Feuer im Ofen, so dass der Kälteschock nicht gleich beim Frühstück kommt.

Wir verlassen Tengboche bei minus 4 Grad in Richtung Dingboche, eine Tagestour um die fünf Stunden. Was genau es in Dingboche gibt weiß ich nicht, aber ich will es zumindest probieren. Die ersten 30 Minuten geht es abwärts nach Deboche, ein Ausweichquartier für Tengboche. Ich merke, dass mir jeder Schritt schwer fällt. Ich schnaufe bis in die letzte Bronchie, aber der Sauerstoff erreicht die Oberschenkel nicht. Nach einer Stunde sage ich „Nein, es geht nicht“. Ich entschuldige mich, dass wir die letzte Etappe streichen müssen und dass wir die 4.000m-Grenze nicht erreichen. Klaus hat kein Problem damit und zeigt Verständnis. Pemba ist gleich am Telefon und organisiert, storniert und bucht neu. Wie immer auf der Tour ist „the room not confirmed yet“, aber am Ende schlafen wir alle in einem Bett und jeder für sich.

Wir kehren um nach Tengboche und der Anstieg kostet mich die letzten Körner. Vor dem Tengboche Guest House setzen wir uns in die Sonne und die Berge strahlen um die Wette. Gefühlt habe ich zum ersten Mal Gelegenheit, das Panorama bewusst zu genießen. Nicht im Gehen, auf dem Rückweg oder nach 12 Uhr schon von Wolken verhangen, sondern bei schönstem Sonnenschein vor blauem Himmel. Wir trinken Tee und zählen Taboche, Nuptse, Everest, Lhola, Lhotse, Lhotse Shar, Ama Dablam, Kantega und Thamserku…und wieder zurück. Und nochmal von vorn. Es ist herrlich. Wir kommen mit zwei Schottinnen ins Gespräch, denen das Spektakel so gefällt wie uns. Auch sie sind eher gemäßigt unterwegs und freuen sich jetzt auf das Mani Rimdu. Der Bruder eines Freundes ist hier Mönch und so bekommen sie zu diesem Fest noch buddhistische Hintergründe im Livebetrieb.

Um kurz vor 13 Uhr suchen wir uns Plätze im Innenhof des Klosters und bezahlen brav 3,50 Euro. Um Eins soll es losgehen, aber auch hier gilt Nepalizeit und daher nehmen die beiden Bläsermönche erst um 13.40 Uhr Platz. Vier Trommelmönche besetzen die Ecken des Innenhofes und auf der Treppe erscheinen zwei Mönche mit gewölbten Becken. Einer macht ein Scheppergeräusch, der andere macht nach. Aus den Ecken kommt unvermittelt ein Paukenschlag, dem drei weitere Folgen. Synchron ist das nicht. Der Mönch am unteren Ende der Treppe ist fertig, der obere Mönch geht nach unten und aus der Gebetshalle kommt ein neuer Mönch. Vormachen, nachmachen, Paukenschlag, Paukenschläge. Insgesamt acht Mal. Ich sitze in der prallen Sonne, weil mir die anderen Plätze des Klosters zu kalt waren. Als ich wieder aufwache, stehen acht Mönche im Kreis und tanzen auf einem Bein mit ausgestreckten Armen. Die Bläsermönche blasen zeitgleich hoch-tief und die acht Mönche drehen sich weiter. Mir erschließt sich die Zeremonie nicht, es wirkt etwas wie musikalische Früherziehung. Im Wegnicken klopft mir Pemba auf die Schulter „We go“. Ich widerspreche nicht. „How did you like Puja?“. „Definitely something different“.

Weil Tengboche komplett ausgebucht ist, müssen wir runter bis an die Brücke über den Dudh Kosi. Das dauert nur eine gute Stunde, dann sind wir in Phunki Thenga in der Zembala Lodge. Das Zimmer wirkt einladend, auf der Bettwäsche steht „The Magic of Love“. Der Gemeinschaftsraum ist mäßig warm und fest in deutscher Hand. Während Gespräche mit Trekkern aus anderen Ländern immer unterhaltsam sind und leicht von den Lippen gehen, sind Gespräche mit Landsleuten immer zäh. Dem Paar aus Nürnberg geht das Du nicht über die Lippen und zur Reisegruppe, die auf dem Renjo La Pass war, finden wir keinen Draht. So gehen um 20.30 Uhr die Lichter aus.

Morgen geht es zurück nach Namche Bazar.

Kein Zuckerschlecken…

Tag 9 – 12:

Nach den ersten euphorischen Tagen in Nepal kommt nun doch der anstrengende Teil…und der Aufstieg ist kein Pappenstiel. Höhenangst? Bitte vor der Brücke ablegen.

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Die dünner werdende Luft, die körperliche Anstrengung und die einfachen Unterkünfte zehren an den Kräften.

Auch wenn man bei den ganzen Strapazen manchmal die Wand vor lauter anderen Sachen nicht mehr sieht: die Aussicht auf den Mount Everest ist ein einzigartiges Erlebnis, das all‘ die Mühe wert ist.

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Heute haben sie mit großer Anstrengung Tengboche erreicht. Die letzten Tage Wanderung haben schon ihren Tribut gezollt.

Doch was eine Tasse Kaffee alles bewirken kann! Kräfte sammeln und mobilisieren für den Tagesmarsch zum Ziel. Morgen geht es auf 4.400m nach Dingboche!

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Hüttenabend auf Nepali 23.10.18

Wir sitzen im berühmten Tengboche auf 3.875m. Von Khumjung haben wir knapp 5 Stunden gebraucht. Ein klassischer Nepali Triathlon – runter, rüber (Brücke!), rauf. Fast drei Stunden auf einem staubigen Trail nach oben…und oben bereits Wolken. Keine Sicht, kein Panorama. Nepal done the hard way.

Tengboche hat das berühmteste Kloster in der Khumburegion und ist einer der Hauptorte auf dem Weg ans Everest Base Camp (EBC). Der Flecken ist brechend voll. Klar, Hochsaison und ab morgen ist auch noch das größte buddhistische Fest der Sherpas „Mani Rimdu“ im Kloster.

Wir sind in der Trekkers Lodge untergekommen, wo Zelte davor stehen und ein Spiegel mit Rasierklingen am Baum hängt, damit sich wer auch immer dort richten kann. Zelte stehen auch vor dem Tengboche Guest House. Es gibt keine Zimmer mehr.

Der Gemeinschaftsraum der Trekkers Lodge ist voll und zur Abwechslung mal früh beheizt. Kein Wunder, der eiskalte Wind bläst laut Pemba den Schnee von den Bergen in den Ort, man meint es schneit. Gutes Wetter gibt es dieses Jahr nur von 7-12 Uhr, danach ist wolkig. Klaus sitzt neben mir und macht sich Notizen, er wirkt zufrieden. Die Trekkers Lodge ist ein architektonischer Alptraum, unser Zimmer liegt hinter dem Lager und die Toilette ist ein Grund, sich für immer eine Darmverschlingung zu wünschen. 

Zwölf Japaner sitzen neben uns, gegenüber vier Neuseeländer, die mit ihrem Guide die Tour besprechen. Das Paar aus Litauen gönnt sich für 500 Rupien eine Hot Shower. Respekt, danach frierst Du erst mal wie ein Schneider. Ein Franzose sitzt bei den Japanern. Er hat das Zimmer ohne Fenster, wenn er die Türe aufmacht, verstellt er den Flur und kommen wir nicht in den Gemeinschaftsraum.

Das Mädchen der Besitzer füttert den Ofen mit Holz und stellt oben immer Töpfe mit Wasser auf. Kochendes Wasser ist eine der Hauptwährungen im Khumbu, 2 Liter kosten um die 3 Euro. Doch wer möchte auf Tee oder die warme Nalgeneflasche im Schlafsack verzichten, die die ersten Kalteschockmomente mindert? Der Chef der Lodge telefoniert meist wichtig und lauthals und schreibt simultan in sieben Kladden, die vor ihm liegen. Die Hütte brummt.

Knoblauchgeruch kommt hinter uns aus der Küche und mischt sich mit dem Qualm der Räucherstäbchen, die auf der Theke vor sich hin kokeln. Ein Hauch von Hüttenzauber. Um 18.30h gibt es Essen. Angekündigt wird es jeden Abend mit einem Hot Towel, das es so nur im Flieger gibt. Litauen, Deutschland, Japan, Neuseeland ist die Reihenfolge beim Essen. Der Amerikaner aus Washington State, den es in Lobuche auf 5.000m mit der Höhenkrankheit erwischt hat, sitzt noch leicht lethargisch neben mir. Er wäre jetzt auf Diamox, alle 12 Stunden, und freue sich jetzt auf Mani Rimdu. Dann zurück nach Namche. So erzählt man sich die Treks. Drei Pässe für Neuseeland, das EBC für Litauen, da waren die Japaner schon. Um 20.00h kehrt Ruhe ein und alle Trekker machen sich bettfertig. Auf den Bänken im Gemeinschaftssaal werden Decken ausgebreitet, denn die Guides müssen auch wo schlafen. Ein Bild für Götter, als ich mir um 20.15h die Zähne putze und daran vorbei muss.

Wir wollen morgen nach Dingboche, aber meine Erkältung macht mir einen Strich durch die Rechnung.

Zwei Freunde – zwei Blickwinkel

Dieses Jahr ist es im Khumbu für einen Oktober ungewöhnlich kalt. Das lässt sich morgens nach Sonnenaufgang in Thame auf 3.900m auf dem Weg vom Schlafsack zur Morgentoilette unmittelbar bestätigen. Gütiger, ist das kalt! Zähneputzen bei gefrorenem Wasser geht nur mit Trinkwasser aus der Vorratsflasche, der Rest an Schmalspur-Körperpflege wird mit feuchten Waschtüchern aus der Verschlusspackung erledigt.

Nach dem Frühstück steigen wir entlang des mächtigen Bergmassivs von 6000ern, aus deren Mitte der Thamserku herausragt, in Richtung Namche Bazar ab. Im Vorbeigehen in Thamo lauschen wir erstmals den Klängen, Tönen und Gesängen einer „puja“, der Gebetszeremonie buddhistischer Mönche, aus einem häuslichen Gebetsraum heraus. Es erklingen keine Lieder im europäischen Kirchenstil, sondern ein tonal gleichförmiges Gebetsgemurmel mit animalisch anmutender Instrumentaluntermalung aus Muscheln, Becken und Rohren. Der Rest des Morgens ist schnell erzählt: rauf, immer bergauf. Zur Lunchzeit erreichen wir Syangboche, eine kleine Hochebene auf 3.700m, auf der sich ein 400m langes unbefestigtes Flugfeld befindet. 1995 hatte ein privates Unternehmen begonnen, den „Syangboche Airstrip“ zu bauen und mit einmotorigen Flugzeugen für Trekker und Expeditionen anzufliegen. Nach massivem Protest von Einheimischen, die um ihre Existenz fürchteten, wurde der Flugbetrieb 1996 von der nepalesischen Regierung wieder verboten. Die Szene dieses seit 20 Jahren verlassenen Flugplatzes in dieser unwirtlichen Gegend wirkt gespenstisch.

Nach einer weiteren Stunde Wegstrecke erreichen wir Khumjung. Für den Nachmittag steht der Besuch des Klosters auf dem Reiseprogramm, und dass man von einem der örtlichen Hügel aus den Sonnenuntergang genießen könne. Letzteres fällt mangels Sonnenschein aus, es ist nebelig und nasskalt. Es bleibt der Besuch des zweitgrößten Klosters der Khumbu-Region mit einer darin ausgestellten Attraktion. In der Mitte des Gebetsraums ist in einem Glasschrein der angebliche Skalp eines Yeti ausgestellt. Internationale Zoologische Untersuchungen haben zwar keine Hinweise auf eine bislang unbekannte Primatenart erbracht, aber die Menschen glauben an dessen Existenz. Und die Mönche nutzen den Skalp auch in Zeremonien und weisen ihm eine religiöse Bedeutung zu.

Der Rest des Tages könnte im Besonderen mit der Überschrift „Zwei Freunde – zwei Blickwinkel“ unschrieben werden. Michele leidet unter der körperlichen, auch erkältungsbedingten Belastung, nachlassender Motivation, der Dauerkälte und den immer weiter sinkenden Zivilisationsstandards. Ich dagegen genieße einen weiteren Nachmittag des erzwungenen Nichtstuns. Dass niemand etwas von mir will und dass ich ohne inneren oder äußeren Rechtfertigungsdruck einen Nachmittag einfach so liegend und an die Decke starrend oder mit geschlossenen Augen in meinem Schlafsack zubringen kann.

Unterschiedliche Wahrnehmungen dieser Art begleiten uns bei dieser Reise nicht nur an diesem Montag.

Ein Zwischenfazit 21.10.18

Heute ist Sonntag, 21. Oktober, Halbzeit. Wir sind in Thame, das wir nach vier Stunden von Namche aus durch das Bhote Kosi Tal erreicht haben. Eine leichte bis mittlere Tour durch den Wald, durch ein paar kleine Dörfer am Fluss Bhote Kosi entlang. Und eine ruhige Tour nach dem hektischen Treiben in und um Namche. Aber auch eine Tour ohne große Höhepunkte, bis auf den Blick von Thame zurück auf den Thamserku und den ganz spitzen Gipfel Charpatey links davon vielleicht. Der Besuch des Klosters Thame mit seiner bunten, altehrwürdigen Gebetshalle entschädigt für den letzten Anstieg.

Meine drei Ziele für diese Reise sind schon erreicht. Ich wollte die Chepang-Schule besuchen, ich wollte nach Namche Bazar und wollte den Mt. Everest sehen. Alles was jetzt noch kommt ist Bonus, aber eben Bonus, der für den Erfolg der Reise nicht mehr ausschlaggebend ist. Ich kann mir vorstellen, dass die Motivation am Ende der Trekkingwoche nachlässt, weil eben die Höhepunkte schon abgearbeitet sind, lasse mich aber gerne eines besseren belehren. Vielleicht bietet Tengboche noch etwas.

Ich freue mich über das Erreichte, über den Trip nach Lukla, über meine Ausrüstung, die perfekt passt und funktioniert, über die vielen internationalen Kontakte und Bekanntschaften, die einem für Minuten, Stunden oder gar für einen ganzen Tag vergegenwärtigen, dass eine solche Reise durchaus ein Privileg ist und man für diesen Zeitraum zu einem erlauchten Kreis gehört. 

Ich kann auch gerade noch so damit leben, dass die Hotels, Lodges und Gästehäuser so komfortabel bzw. so unkomfortabel sind, wie erwartet. Das Klo auf dem Gang, die kahlen, hellhörigen Holzwände, das eiskalte Wasser aus Plastikeimern usw., das alles ist für 10-12 Tage auszuhalten, schließlich sind wir in Nepal. 

Leider war bisher jeder Tag ab 14 Uhr wolkenverhangen und versagte uns immer das Panorama bei Ankunft. Dabei wäre mir ein Blick auf das Dach der Welt als Belohnung der morgendlichen Anstrengung wichtig. Die vielgepriesenen Sonnenuntergänge finden dieses Jahr woanders und ohne uns statt. Mit den Wolken sinkt die Temperatur sofort und es ist dann schlagartig kalt. Eine gemütliche Regeneration ist in den Lodges kaum möglich und ich muss sagen, das zehrt am Gemüt.

Was fehlt? Ich habe unzählige Maniräder gedreht „to purify your soul“ und bin an vielen Manisteinen und Chorten links herumgegangen, aber die geistige Erneuerung blieb bisher aus. Ich hatte mir vorgestellt, dass Nepal etwas mit mir macht, mir einen Geistesblitz schickt oder eine ungestellte Frage beantwortet, aber bis dato bin ich einfach nur beim Trekken. Ein Amerikaner, der seit 22 Jahren in Kathmandu lebt, sagte in Thame: „For Nepali walking for hours is their way of life“. Meiner eher nicht. Aber eine Woche habe ich ja noch…

Blick auf Berge und Bäuche

Tag 10: Akklimatisierungstag Namche Bazar 20.10.2018

Heute steht das auf dem Plan, worauf ich bei den Alpen-Touren in meinem Leben nie geachtet hatte und was mich auf meiner Mt. Blanc-Tour vor gut 25 Jahren mit der berüchtigten „altitude sickness“ erwischte: Akklimatisierung. Alle 600 Höhenmeter wenigstens ein Tag, lautet hier die Empfehlung. Konkret heißt das, sich auf und in der Höhe zu bewegen. Wir tun, was gefühlt alle tun und bewegen uns in einem lückenlosen Menschenstrom von Akklimatisierern steil bergauf. Soviel zum Thema „in der Höhe“… Ziel ist das „Everest View Hotel“ in 3.800m Höhe. Japaner haben es gebaut, weiß Michele, mit eigenem Heli-Landeplatz, weil es eine erschreckend große Zahl von Menschen gibt, für die Höhenkrankheit entweder etwas für das Warmduscher-Fußvolk ist oder der Meinung sind, dass sich die Grenzen des Körpers mit den Mitteln der Pharma-Industrie überwinden lassen.

Während des kräftezehrenden Aufstiegs (und später Abstiegs) sind wir irgend etwas zwischen erstaunt und erschrocken, Tendenz erschrocken. Wer sich hier alles hinaufquält! Gegen viele gehen wir locker als superschlank durch! Den Tiefpunkt markiert eine Gruppe englischsprechender Landsleute, die sich vor lauter Überlastung – wenn überhaupt nur noch heiser verständigen können. Ihre „Everest Base Camp Tour 2018“-T-Shirts wirken auf den Bäuchen deplatziert – unglaublich, wie sie das auf 5.300m schaffen wollen! Es wirkt in diesem Moment irgendwie…verantwortungslos auf uns.

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Aber zurück zu den schönen Momenten des Tages! Erschöpft erreichen wir den Aussichtspunkt und …bleiben mit geöffneten Mündern stehen. Michele breitet die Arme aus: Gigantisch!

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Vor uns steht, wolkenlos und in glänzender Morgensonne, das ersehnte Bergmassiv, aus dem in der Mitte Mt. Everest und Lhotse herausragen! Es dauert lange, bis wir uns finden, und ich nutze den Moment, um meine mitgebrachten Steinheimer Geologenknacker zusammen mit Michele, Pemba und mir ins fotografische Licht Richtung Mt. Everest zu rücken und anschließend zu verspeisen.

Anschließend reihen wir uns in den Menschenstrom zurück und bergab nach Namche ein. Von dort aus besuchen wir auf einer Anhöhe das Denkmal von Tenzing Norgay Sherpa, dem ersten Menschen, der sich zusammen mit Edmund Hillary 1953 den Mt. Everest „summitted“ hat. Ein Besuch im benachbarten Sherpa-Museum vermittelt zwar keinen neuen Gefühlskick, aber davon hatten wir heute eh schon genug.

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Namche Bazar 19.10.18

Seit ich begann diese Reise zu planen, war Namche Bazar immer im Mittelpunkt. Die Hauptstadt der Sherpas, dieses bunte Amphittheater im Himalaya, übt einen ganz eigenen, besonderen Reiz aus.

Wir machen uns nach einer saukalten Nacht, in einer saukalten, ungemütlichen Lodge in Phaking um 7.00h auf den Weg. Nach 10 Minuten kommt die erste Hängebrücke des Tages über den Fluss Dudh Kosi. Oben kommt langsam die Sonne über die Berge. Wir laufen relativ unspektakulär am Fluss entlang bis der Himalya zum ersten Mal Hallo sagt. Nach Benkar geht es einige richtig mistige Stufen bis nach Monjo hoch, wo wir die Trekking Permits für den Sagarmatha Nationalpark bekommen. 

Es folgt der Abstieg in den Park und danach wieder eine Hängebrücke. Die Stahlseilkonstruktionen machen einen beruhigenden Eindruck und der Boden aus Stahlschienen wirkt solide, gibt aber durch die Ritzen leider den Blick nach unten frei. Rechts und links an den Seiten gibt es Maschendrahtzaun, der bis an die oberen Seile reicht…oder eben nicht! Manchmal zu, manchmal offen und manchmal fehlt ein Stück. Vielleicht nicht so groß, dass ein Mann meiner Statur durchpasst, aber wo sind TÜV und Arbeitssicherheit, wenn manN sie mal braucht?

Wir essen in Jorsalle zu Mittag, um Kraft für den Anstieg nach Namche zu tanken. Es folgt wieder eine Hängebrücke, die wie jede Hängebrücke immer leicht wippt. Es laufen nicht alle im gleichen Schritt oder Rhythmus und das bedeutet, dass bei meinen Schritten der Boden entweder zu früh da ist oder später als erwartet, was jedes Mal eine Schrecksekunde bedeutet. Am Ende der Brücke fragt mich eine Engländerin: „You okay?“. Ich sage ihr, dass diese Dinger nicht meine Freunde sind und sie antwortet: „Oh, I hate them with a passion. Did they tell you about the last one before Namche?“. Ich nicke. „That‘s a real bastard. I almost crawled on that thing“. Na, prima.

Ich weiß von dieser Brücke und finde die Sequenz im Everestfilm toll, aber als sie kurze Zeit später auftaucht, rutscht mir fast das Herz in die Hose. Ein schreckliches Teil. Ich frage Pemba, ob wir nicht die untere Brücke nehmen könnten, aber er lächelt nur: „Lower bridge closed. We take upper bridge, is a shortcut“. Nie im Leben war mir eine Abkürzung mehr egal. Wir verlassen das Flusstal und steigen auf. Ein Schild auf Nepali verrät sicher die Details der Brücke und preist die Ingenieursleistung, aber ich bin nur froh, dass ich es nicht lesen kann. Oben angekommen hängt dieses Ding und ich bitte Pemba vor mir zu gehen. Ich ziehe links einen Handschuh an mit dem ich mich am Seil halte und lege meine rechte Hand auf seinen Rucksack. So überqueren wir in vielleicht 20 Sekunden gemeinsam dieses Scheißding. Das rot-schwarze Mammutlogo seines Rucksacks ist mein Fixpunkt, etwas anderes sehe ich nicht. Wenn es bei dieser Reise auch darum ging, persönliche Grenzen zu verschieben und die Komfortzone zu verlassen, dann war ich bei dieser Brücke genau richtig. 

Was folgt ist ein kräftezehrender, endlos wirkender Aufstieg nach Namche auf einem staubigen Weg durch den Wald. Alles, was es in Namche zu essen, trinken und kaufen gibt, muss hier hoch. Dementsprechend ist viel Betrieb. Touristen wechseln sich mit Yaks und Trägern ab. Einer bleibt mir im Gedächtnis, ein kleiner, dürrer, alter Nepali, der Knoblauch und Zwiebeln nach oben schleppt. Pemba frägt ihn nach dem Gewicht des Korbes und er antwortet auf Nepali 80kg.

Um 14.00h sind wir am Checkpost vor Namche und um 14.30h betreten wir die Stadt. Sechseinhalb Stunden waren wir unterwegs und 800 Höhenmeter haben wir gemacht und jetzt heißen uns die Gompa, die Statue von Pasang Lamu Sherpa, der ersten Nepalifrau auf dem Everest, und bunte, große Maniräder willkommen. So ungefähr habe ich es mir vorgestellt. Wir sind in Namche Bazar auf 3.400m. Wenn die Reise hier zu Ende wäre, dann hätte sie sich schon gelohnt!

Nepal, 12 points!

Mittlerweile wandern unsere Männer irgendwo im Himalaya-Gebirge zwischen Lukla und Dengboche.

Es ist kalt, die Aufstiege sind hart, und sie kämpfen…

Klaus habe ich schon Tage vorher versprochen, seinen Blogbeitrag von Lukla online zustellen. Wo sind wir stehen geblieben…? Ahja, Tag 8:

 

Nach überrasschend gut geschlafener Nacht stehen wir bei Tagesanbruch um 6 Uhr auf, um einen wolkenfreien klaren Blick auf die eindrucksvolle Bergwelt rund um Lukla zu werfen. Wir gehen zum Flugplatz, direkt neben der Unterkunft.

Was für ein top organisiertes und reges Treiben! Der gefährlichste Flughafen der Welt mit atemberaubend kurzer Start- und Landebahn von 527m Länge hat nach zwei kompletten wetterbedingten „close“-Tagen wieder geöffnet. Ein Passagierstau von drei Tagen sowohl in Kathmandu als auch in Lukla muss eilig aufgelöst werden, solange das Wetter hält. Jetzt ist „full energy“ angesagt!

Ab 6:15 Uhr fliegen die bestausgebildetsten Piloten der Welt in 5-minütiger Abfolge nur auf Sicht den kleinen bergaufführenden Flugplatz an, setzen metergenau über der Klippe am Beginn der Landebahn auf, stellen die Propeller mit ohrenbetäubendem Lärm auf eine Art Turbo-Bremswirkung und scheren mit nervenaufreibender Präzision 10 Meter vor dem Ende der Landebahn (vor einer Felswand) auf die kleine Parkfläche für vier Flugzeuge ein.

Dann ein Spektakel von 5 Minuten Dauer: 18 Passagiere raus, 18-mal Gepäck raus, 18 Passagiere rein, Gepäck rein und weg. Gefühlt haben die Passagiere kaum Zeit sich anzuschnallen, die Propeller werden nicht einmal ausgeschaltet. Wow! Nepal, 12 points…

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Da unser Gepäck am Vortag in Kathmandu verblieb, müssen wir bis 10 Uhr warten und begeben uns dann auf den Weg zu unserem ersten Tagesziel Phakding. Bemerkenswert ist hier vor allem Prem, unser Träger, der barfuß und in Badeschlappen 30 kg Gepäck in einer Geschwindigkeit zum Ziel trägt, die uns buchstäblich alt aussehen lässt. Nepal, 12 points…

Zufrieden, dass wir nun endlich mit voller Ausrüstung unterwegs sind, erreichen wir am Nachmittag Phakding. Und freuen uns auf eine Nacht im warmen Schlafsack.

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Dhanyabaad, Dave!

Tag 7:

Heute ist der Tag, um „Danke“ zu sagen. Unter anderem diesem wunderbaren Mann.

Dave

Sein Name ist Capt. Dave Peel.

Warum? Unsere Männer sind zu früher Morgenstunde aus dem Bett und an den Flughafen in Kathmandu gekommen. Prepared for a great flight to Lukla – Merino am Hintern und Buff am Hals, den Rucksack gepackt für die Great Khumbu-Tour.

Am Flughafen dann die erste schlechte Nachricht: Der Flughafen Lukla ist gesperrt – wegen schlechtem Wetter und schlechter Sicht. Also warten…auf besseres Wetter, auf den nächsten Flieger, auf neue Informationen. Ich gieße mir eine Tasse Kaffee ein. Es vergehen ein paar Stunden. Das Wetter scheint sich für diesen Tag nicht ändern zu wollen. Der Menschenauflauf am Flughafen wird größer. Die Männer ungeduldig. Sie wollen nach Lukla. Heute.

Habe ich schon erwähnt, dass Lukla der gefährlichste Flughafen der Welt ist? Nein? Die äußerst kurze Landebahn hat zwei natürliche Grenzen: eine Felsschlucht vor der Landebahn und eine Felsfront direkt dahinter. Vielleicht ist es das, was mich nervös macht. Ich finde, eine weitere Nacht im Hotel Moonlight eine denkbare Alternative und beiße von meiner Pausen-Brezel. Nicht für die Männer. Für die geplante erste Etappe mit 4 Stunden Laufzeit wird die Zeit eng. Ich versuche im Büro, nicht unruhig zu wirken.

Die nächste Nachricht aus Nepal: Ein Helicopter-Flug kann Abhilfe schaffen. Sie steigen ein.

Aber nein! Der Hubschrauber ist kaputt und bedarf erst einer Reparatur. „Vielleicht doch ins Hotel…?“, frage ich vorsichtig über den Zwitscher-Funk an. Nein, sie warten auf den nächsten Heli. Der ist – auch kaputt. Selbst das stimmt unsere Männer nicht zum Bleiben. Unentmutigt verharren sie eine weitere Stunde in Gartenstühlen sitzend auf der Landebahn. Sie wirken zuversichtlich und schicken hoffnungsvolle Bilder vom Flughafen. Ich bekomme hektische Flecken.

Zuversicht

Doch Rettung naht: Dave! Er ist Pilot und hat einen Hubschrauber, der geht! Ich bin mir nicht sicher, ob ich erleichtert sein soll. Für kurze Zeit ist der Flughafen auf…! Also nichts wie los! Das Gepäck muss zurück bleiben – zu schwer. Noch während sie in der Luft sind, wird der Flughafen wieder geschlossen. Ich habe Herzrasen. Es folgen bange Minuten der Ungewissheit. Ich starre auf mein Handy. Das Essen brennt rein. Dann endlich die erlösende Nachricht: Alles gut gegangen! Lukla erreicht! Für eine Nacht Unterkunft gefunden. Morgen kann es losgehen, mit der Great Khumbu-Tour. Ich schenke mir einen Schnaps ein.

Gott sei Dank. Und Mr. Dave Peel.

Mehr über Dave…