Das Mamertus-Experiment oder Liebe macht taub

Die Eisheiligen 2018 boten Gelegenheit, die langgehegte Idee der Schlafsacküberprüfung endlich umzusetzen. Mit 10 Grad war es tendenziell zu warm, aber die Zeit rennt und die Akklimatisation musste begonnen werden. Mit der gebotenen Flexibiltät wurde der Schlafplatz ausgewählt und mit ein paar Schaumstofflagen nepalesk-bodenständig hergerichtet. Ein schwäbischer Riesling sorgte für eine ausgelassene Stimmung trotz der aufkommenden Aufregung, die Nacht im Freien zu verbringen. Heute gilt es!

Gegen Mitternacht entscheide ich mich für T-Shirt und Boxer, während Klaus leichte Trainingsbekleidung wählt. Die Merinosachen bleiben im Schrank, schließlich nähern wir uns nicht der Frostgrenze. 

Die nachfolgende Chronologie soll die Nacherlebbarkeit dieser Nacht sicherstellen:

23:58 Uhr: Wir beziehen die Schlafsäcke. Klaus verplombt sich die Ohren und wünscht Gute Nacht.

00:00 Uhr: Die Kirchenglocken kündigen die Geisterstunde an. Laute Gegend.

00:03 Uhr: Ich überprüfe meine Situation, Temperatur und Körperfunktionen. Alles im grünen Bereich. Der Schlafplatz ist nicht das, was ein gewissenhafter Handwerker plan nennt, sondern leicht abschüssig. Das Drehen nach oben erfordert erhöhten Kraftaufwand, während ich beim Drehen nach unten Gefahr laufe, vom Schaumstoff zu rutschen. Ich bin vorsichtig optimistisch diese Tatsache ausbalancieren zu können. 

00:06 Uhr: Von links kommt ein Geräusch, welches man eigentlich mir nachsagt – Klaus schnarcht. Wie jetzt? Kein Zweifel, er nähert sich dem Knillwäldchen und sägt. Na prima.

00:23 Uhr: Ich entscheide mich, den Schlafsack zu verlassen, um meine Ohropax aus dem Wohnzimmer zu holen. Der kurze Kälteschock ist erfrischend. Gaby ist noch halbwach und blickt vom Sofa kurz auf. Ich murmle etwas von Ohrstöpsel, was sie zu einem „Ah, der Schatzi schnarcht doch net!“ veranlasst. Der Schatzi vielleicht nicht, aber der Kerl im Schlafsack über mir ganz sicher. Liebe macht taub.

00:30 Uhr: Der Schlafsack hält die Wärme, cool. Die 700-er Daune macht ihren Job. Die äußeren Extremitäten fühlen sich durchblutet an. Die Ohropax sitzen fest…es ist still. 

00:48 Uhr: Ist was mit Klaus? Soll ich mich mal umdrehen? 

00:49 Uhr: Klaus lebt…und wie! Mit schwerem Gerät nimmt er sich den Wäldern des Wentals an. 

01:15 Uhr: Schlagen die Kirchenglocken auch nachts? Laute Gegend.

01:16 Uhr: Ein kurzer Check von Temperatur und Beweglichkeit, alles gut.

01:17 Uhr: Der Kopf liegt zu tief, so wird das nichts. Ich könnte ein Kissen holen…oder die Crocs unter den Schaumstoff klemmen. Ja, das sollte gehen. Aber jetzt…

02:00 Uhr: Die beiden christlichen Kirchen liefern sich einen Wettstreit, wer lauter die volle Stunde ankündigt. Welcher Kirchengemeinderat hat beim Antrag, den Glockenmotor zu erneuern mit Ja gestimmt? Wie blöd kann man sein? Sehr laute Gegend.

04:15 Uhr: Der Schwarzwald bietet Klaus alle Möglichkeiten. Ich stelle mir die Frage, ob der Boden den Schall zwischen den zwei Schlafsäcken verstärkt. Hat sich nicht Beethoven einen Holzstab zwischen die Zähne geklemmt und diesen dann auf das Klavier gelegt, um über die Schwingungen seine Kompositionen zu „hören“? 

04:43 Uhr: Es dämmert. Ich mache ein Bild, wie langsam der Tag beginnt. Zählt ein Tag als neu, auch wenn man keine Nacht hatte? Ich informiere die Welt über threema, dass es langsam hell wird…und Tina antwortet. Wir verabreden uns für 05.30 Uhr beim Bäcker. Der Gefahr, dass Klaus noch den Amazonas erreicht, setze ich mich nicht aus. Tut mir leid, mein Freund.

05:07 Uhr: Abbruch des Experiments. Ich schlüpfe aus dem Schlafsack und ziehe mich an. Beim Verlassen des Hauses kommt Klaus aus dem Pavillon, er hätte meinen Reißverschluss gehört!? Fast dankbar verzieht er sich nach oben zu Gaby ins Bett…

Das war sie also, die Nacht im Schlafsack. Mit zwei Hoffnungen fahre ich nach Nepal. Ich wünsche mir in den Lodges Temperaturen zwischen 0 und 5 Grad, sonst wird aus dem Schlafsack eine Sauna. Und ich hoffe, dass die Anstrengungen und der fehlende Alkohol uns beide gleichzeitg in den wohlverdienten Schlaf schicken. Noch fünf Monate…

3 Kommentare zu „Das Mamertus-Experiment oder Liebe macht taub

  1. Männer! Was ist los mit euch?! Neue Welten wollt ihr erobern! Ins kalte Wasser springen! Wind und Wetter trotzen!
    Dazu seid ihr ausgezogen – und nicht, um hinterm Haus im Abenteuer-Simulator zu scheitern. Also Stöpsel aus den Ohren und Butter bei die Fische: in Nepal müsst ihr’s durchziehen. Da könnt ihr euch nicht in die warmen Betten verkriechen.
    Vielleicht bin ich taub, vielleicht es auch Musik in meinen Ohren. Eines kann ich sicher sagen:
    Liebe ist, wenn sie dich mitten in der Nacht abholt, damit du sicher schlafen kannst. 🙂

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    1. Uuh, Schatzi ist streng mit uns … Ich hab‘ immerhin die Wälder rund um Steinheim gesägt, bis ins Wental … also, wenn das nicht der Eroberung neuer Welten gleichkommt … übrigens, der Michele war beim Sägen dabei, gefühlt 5x zwischen 1.00 und 4.00 Uhr … und seine Säge hat auch Großartiges geleistet, zusammen haben wir Holz ohne Ende gemacht … Das wird grandios, wie wir der Stille der nepalesischen Bergwelt begegnen werden … 🙂

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